Netzkolumnist Tarik Tesfu: „Das Universum dachte sich, den machen wir Schwarz und auch noch schwul“
Nach Chemnitz startete Tarik, bekannt durch seine politischen Beiträge im Netz, eine Kampagne für antirassistische Projekte. Wir trafen ihn zum Gespräch
Tarik Tesfu ist Moderator, Content-Creator und Produzent. In „Tariks Genderkrise“ bereitet er leicht verständlich Themen wie Männlichkeit, Antifeminismus oder Bodyshaming auf. Außerdem gestaltet er „Jäger und Sammler“ mit: einen öffentlich-rechtlichen Videokanal zu gesellschaftspolitischen Fragen.
Nach den pogromartigen Vorkommnissen in Chemnitz Ende August hat Tarik eine GoFundMe-Kampagne gestartet, um antirassistische Projekte zu unterstützen –und schon fast 10.000 Euro gesammelt. Morgen findet im aquarium in Kreuzberg die „Soli-Sause“ zur Kampagne statt.
Im Interview mit SIEGESSÄULE erklärt Tarik, was es heißt, Schwarz und schwul zu sein, wie er Hass im Netz begegnet und warum Politik seiner Meinung nach mehr Glitzer vertragen könnte
Tarik, momentan läuft deine Kampagne „Rassismus den Stinkefinger zeigen“, die du kurz nach den Ereignissen in Chemnitz ins Leben gerufen hast. Was war der Gedanke dahinter? Es ging mir nicht primär um Chemnitz. Für mich persönlich sind Neonazis das kleinste Problem, denn ich treffe relativ selten welche. Viel schlimmer ist, dass Rassismus so tief in unserem Denken verankert ist. Menschen neigen dazu, das Problem nur auf die AfD oder Neonazis zu projizieren. Ich wollte mit der Kampagne den Fokus auf Vereine legen, die schon vor Chemnitz, seit Jahrzehnten, mit People of Color und Schwarzen Menschen arbeiten. Chemnitz war aber auf jeden Fall auch ein Aufhänger.
Ist Fundraising nicht ein bisschen kurz gedacht – ich spende 10 Euro und dann bin ich das Problem Rassismus los? Natürlich ist es super einfach zu sagen, „Leute, zahlt mal“... und meine Kampagne wird auch nicht das Rassismusproblem lösen. Aber es zeigt, wie man in relativ kurzer Zeit viel mobilisieren kann. Die Vereine sind auf das Geld auch angewiesen. Kübra Gürümsay hat das in ihrem Fürsprache-Video für die Kampagne ganz gut ausgedrückt: Antirassismusarbeit ist Arbeit! Das klingt zwar simpel, ist aber ein wichtiger Punkt. Wenn man dann in der Masse schon mit fünf Euro etwas bewirken kann, ist das doch toll. Ich habe schon vor der Kampagne gemerkt, dass es mir persönlich nicht mehr reicht, „nur“ Videos zu machen. Ich wollte ein sichtbares Ergebnis.
In deinen Videos sprichst du oft von der Diskriminierung, die du als schwuler und Schwarzer Mann erfährst. Was genau bedeutet das? Ja, ich bin doppelt bestraft (lacht). Da hat sich das Universum gedacht: den machen wir Schwarz und auch noch schwul. Da war richtig Freude da oben in der Hütte. Es macht natürlich was mit mir. Am Ende geht es um Mehrfachdiskriminierungen und es macht einfach einen Unterschied, ob man als weißer hetero-Mann durch die Welt hüpft oder als Schwarzer Schwuler. Ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber manchmal denke ich, eine Sache hätte auch gereicht.
Du wirst dir doch nicht wünschen, nicht schwul zu sein? Ich würde mir wünschen, dass es keine Homofeindlichkeit gibt. Dann müsste ich mir darüber keine Gedanken machen. Das Schlimme ist ja, dass einem durch Homofeindlichkeit und Rassismus suggeriert wird, dass an einem selbst etwas nicht stimmt. Das auf zwei Ebenen zu erfahren ist anstrengend. Ich finde es gut so, wie ich bin, aber es wäre schöner, wenn die Welt besser wäre.
Du hast online ganz schön viele Hater, wirst als „Aids-Magnet“ und „Nafri-Dreck“ beschimpft. Im November letzten Jahres gab es sogar einen Hacker-Angriff auf dich: deine Twitter- und Instagram-Accounts wurden übernommen, Youtube-Kanal und Facebookseite gelöscht. Wie gehst du mit so viel Hass um? Mittlerweile bin ich relativ entspannt, weil ich mir denke: was soll noch passieren? Aber als der Hack passiert ist, war das schon heftig und hat tief gesessen. Das Gute war, dass ich Leute an meiner Seite hatte, die mir klar gemacht haben, dass das nichts mit mir zu tun hat. Die hassen ja nicht mich persönlich, die hassen eine Person, die zwei Minuten in Videos auftaucht - eine inszenierte Person. Und das hilft. Zu wissen, dass sie niemals mich hassen können, weil sie mich nicht kennen.
Die Hacker haben auch deine Privatadresse veröffentlicht. Hast du da keine Angst bekommen? Ich hatte Angst ins Netz zu gehen und online zu sein. Zuhause war der einzige Ort, an dem ich mich sicher gefühlt habe, denn Leute, die sowas machen, klopfen in der Regel nicht an deine Tür. Sie haben mit meiner Angst gespielt, aber diese Angst habe ich ihnen nicht gegeben.
Samstag Abend findet die Soli-Party zur Kampagne im Aquarium statt. Was genau erwartet uns da? Ein spektakuläres Programm! Ich bin oft auf politische Events eingeladen und die sind auch alle toll und wichtig, ich merke aber: Die Leute schlafen dir da weg! Anderthalb Stunden Podiumsdiskussion? Mein Credo ist eher: Politik ist auch Party und bunt und kann Glitzer vertragen! Ich will die Vereine vorstellen, für die Geld gesammelt wird, und ihnen im Rahmen eines „Talks“ eine Bühne geben. Ich teile den „Talk“ aber auf. Statt einem großen mache ich drei kleinere, und davor und danach gibt es Musik, Poetry-Lesungen, eine Versteigerung von handgefertigten Stickerei-Köstlichkeiten der Berliner Rapperin Sookee und Soli-Drinks. Auch saufen kann politisch sein! Es wird einfach ein lustiger Abend.
Interview: Hannah Geiger
Die vollständige Version des Interviews mit Tarik Tesfu lest ihr im Dezember in der Printausgabe der SIEGESSÄULE!
Soli-Sause: „Rassismus den Stinkefinger zeigen“, 10.11., Aquarium am Südblock, 19:00
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