„Weißer Mann, Schwarze Sklavin“: BDSM-Doku „The artist and the pervert“
Die Doku über Mollena und ihren „Master“, den Komponisten Georg, fordert Vorstellungen über selbstbestimmte Sexualität radikal heraus. Wir sprachen mit den RegisseurInnen des Films
„The Artist & The Pervert“ erhielt beim diesjährigen Pornfilmfestival den Preis für den besten Dokumentarfilm. Porträtiert wird darin eine ungewöhnliche BDSM-Beziehung: Ein bekannter und wohlhabender weißer österreichischer Komponist, der aus einer Nazi-Familie stammt, unterwirft eine Schwarze Frau, die Sex-Educatorin, Aktivistin und seine geliebte „Sklavin“ ist. Doch was auf den ersten Blick wie eine Re-Inszenierung rassistischer, patriarchialer Machtverhältnisse wirken mag, ist für die beiden eine emanzipierte Form ihre Liebe zu leben.
SIEGESSÄULE-Autor Jeff Mannes unterhielt sich mit den RegisseurInnen Beatrice Behn und René Gebhardt
Beatrice, René, eure Doku und die Beziehung zwischen den beiden ProtagonistInnen Georg und Mollena wirkt auf viele provozierend... Kritik kommt aus mehreren Richtungen. An Georg zum Beispiel wird die Frage gerichtet, wie er sich als Feminist bezeichnen kann, wenn er seine Frau gerne dominiert. Die Kritik an Mollena ist eine doppelte: erstens auch aus feministischen Motiven heraus, also die Frage, wie sich eine Frau einem Mann so unterwerfen kann. Das zweite hat mit ihrer Hautfarbe zu tun. Es geht um den Umstand, dass sie einem weißen Mann als Schwarze „Sklavin” (so wie sie sich selbst bezeichnet) dient. Das triggert natürlich viele im Hinblick auf die US-amerikanische Geschichte. Hier leben Menschen etwas offen aus, das in einem größeren politischen Kontext ganz starke Implikationen hat.
Wie reagiert Mollena auf diese Kritik? Im Film meint sie an einer Stelle: Wenn sie auf Basis dessen, dass sie Schwarz ist, gewisse Phantasien nicht ausleben dürfte, dann wäre gerade das für sie Rassismus. Die ProtagonistInnen machen auch kein Race Play. Den Fetisch gibt es zwar, sie spielen jedoch in ihrem BDSM nicht mit ihrer Hautfarbe. So wahnsinnig das klingen mag: es ist tatsächlich reiner Zufall, dass sie Schwarz ist und von afrikanischen Sklav*innen, und er weiß ist und von Nazi-Eltern abstammt. Hier haben sich einfach nur zwei Menschen gefunden. So sehen viele Leute es aber nicht. Genau das ist das Spannende: denn viele, die davon hören, ohne die beiden näher zu kennen oder zu wissen, wie ihre Beziehung und das Machtverhältnis innerhalb dieser funktioniert, denken, es sei Race Play. Wie die Leute reagieren, sagt eigentlich viel mehr über diese Menschen, über die Gesellschaft, als über das Paar aus.
Kommt die Kritik nicht auch dadurch, dass viele BDSM missverstehen? Der Film zeigt ja einen unglaublich liebevollen Umgang miteinander. Auf jeden Fall. Mit BDSM, vor allem mit „Master-Sklavin“-Beziehungen, sind gewisse Vorstellungen verbunden, die an 50 Shades of Grey erinnern. So sieht die Beziehung zwischen Mollena und Georg aber nicht aus. Die Kritik an ihnen ist nach der Veröffentlichung des Film auch geringer geworden. Denn wir bilden uns heute einfach unglaublich schnell eine Meinung, die auf keinerlei Informationen, außer auf einer Überschrift und maximal noch dem ersten Absatz eines Artikels basiert. Nachfragen und Hinschauen machen wenige.
Hat das bewusste Ausleben von Mollenas Phantasien nicht gerade auch etwas mit Freiheit zu tun? Man muss dazu erst einmal sagen: Wir sitzen hier gerade als drei weiße Menschen und reden über sie als Schwarze Frau. Wir möchten und können nicht für sie sprechen. Wir können nur erzählen, was sie uns erzählt hat. Tatsächlich hat sie betont, dass sie auch – und vor allem – als Schwarze Frau die Freiheit haben möchte, ihre Sexualität so auszuleben wie sie will. Und sie ist nunmal submissiv. Das Wort „Sklavin” wird auch explizit von ihr benutzt, das kommt nicht von Georg. Und sie verwendet es ähnlich wie wir das Wort „queer”. Vor ein paar Jahren war dies noch negativ besetzt, es war ein Schimpfwort. Nun hat man diesem Wort die negative Macht genommen und es positiv besetzt. Was Mollena hier versucht, geht in eine gleiche Richtung. Gleichzeitig achtet sie aber auch darauf, das Wort nicht in der Umgebung von Leuten zu benutzen, die das triggert.
Im Film gibt es eine Szene, in der Trump gerade zum Präsidenten gewählt wurde und Georg total aufgelöst ist... Ja. Mollena antwortet darauf, dass sie momentan kein Mitgefühl mit weißen Menschen haben könne. Sie verstehe, dass er aufgebracht sei, aber dies sei die Welt in der die meisten Menschen der Erde schon immer leben mussten. Und sie würde ihm jetzt nicht erlauben, aufgrund einer Präsidentschaftswahl seine Arbeit zu vernachlässigen. Woraufhin er sie umarmt und sich bei ihr bedankt. Das ist eine Szene, die einen erschreckt, weil hier ein Perspektivwechsel stattfindet, der eindeutig mit Race zu tun hat. Ein fantastischer Moment für das weiße Publikum – zu sehen, wie privilegiert wir sind, ohne es zu merken. Als wir das gefilmt haben, waren wir auch erst einmal sprachlos. Und ich (Beatrice) dachte zuerst auch: „Wie kann sie in einem Moment, wo es ihm so schlecht geht, so mit ihm reden?” Je öfter ich diese Szene jetzt sehe, desto mehr denke ich aber: „Oh mein Gott, bin ich ein Arschloch!” Natürlich musste sie so mit ihm reden! Er hat Geld, er ist weiß, er ist heterosexuell, er ist ein Mann, kurz: er ist sicher.
Interview: Jeff Mannes
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