„Proudly perverted“: Besserer Sex für alle
Im September 2018 eröffnete im Schwulen Museum eine Schau über die FLT*I*-BDSM Community. Warum wir von dieser Szene viel über einvernehmlichen Sex lernen können, erklärte uns Kuratorin Birga Meyer
Birga, deine Ausstellung zeigt die „FLT*I* BDSM Community“. Was kann man sich darunter vorstellen? BDSM ist kurz für Bondage, Dominanz, Unterwerfung (Submission) und Sado-Masochismus. FLT*I* bedeutet Frauen, Lesben, trans* und inter* Personen, die auf diese Sachen stehen.
Und was heißt „Community“ in diesem Kontext? Das Wort ist natürlich vereinfachend, weil es „die Community“ als eine geschlossene Gruppe nicht gibt. Die Szene, um die es in meiner Schau geht, hat aber schon einen starken Zusammenhalt und ist letztlich auch nicht so groß.
Man kennt sich schnell? Ja. Die Menschen sind im europäischen Raum und darüber hinaus vernetzt und teilen viele Ansichten und Werte in Bezug auf BDSM. In Berlin, aber auch in allen größeren europäischen Städten gibt es Playparties und Workshops. Und dann wird viel gereist: Leute fahren für eine Konferenz von Manchester nach Kopenhagen oder von Barcelona für die Folsom zu uns. Die Community ist insgesamt sehr aktiv, allerdings, wenn man nicht selbst dazugehört, noch wenig bekannt.
Und da war es dir wichtig, sie einmal zu porträtieren? Für das „Jahr der Frau_en“ im Schwulen Museum gab es den Wunsch, auch etwas zu BDSM zu machen. Ich habe dann dieses Konzept vorgeschlagen, weil ich fand, die Menschen in dieser Szene haben so viel Wissen, Lebenslust und Freude an ihrer Sexualität und man kann so viel von ihnen lernen, auch wenn man selbst überhaupt nicht auf BDSM steht. Etwa, wie ich herausfinden kann, was ich möchte, und wie ich mit jemand anderen in Kontakt gehen und darüber reden kann.
Kommunikation steht also im Mittelpunkt. Ist das eine Besonderheit dieser Szene? Man kann das nicht so pauschal sagen, ich glaube aber schon, dass wesentlich mehr über Begehren geredet wird als in anderen BDSM-Kontexten. Für die Ausstellung haben wir Interviews geführt. In fast allen erwähnen die Leute, dass das „miteinander verhandeln“ für sie zentral ist und auch mit Lust praktiziert wird.
Was bedeutet das: miteinander zu verhandeln? Man kommuniziert, was man überhaupt will, welche Arten von Schmerz man mag, was einem beim Sex gefällt und so weiter. Das versucht man so klar wie möglich auszudrücken, um herauszufinden, ob die anderen Personen eventuell etwas damit anfangen können. Einer* ist es dann vielleicht wichtig, zu klären, wie viel Körperkontakt man hat, der nächsten* geht es vorallem darum, welche Sprache in Ordnung ist und wie man miteinander kommunizieren kann, während man spielt. Viele verhandeln auch, welche Gefühle sie erleben möchten: zum Beispiel Hilflosigkeit, Stärke oder Macht, Freude, Geborgenheit oder Sicherheit. Und man spricht auch darüber, was nicht gefällt. Denn es gibt hier keinen Automatismus. Nur weil man sagt, ich finde dich heiß und würde gerne mit dir spielen, bedeutet das nicht, dass man für jede Form der Interaktion offen ist. Jede Handlung ist ein eigener Schritt.
Man kann zum Einen ja und zum Nächsten nein sagen... Genau. Oberstes Prinzip ist der Konsens, das heißt alle stimmen dem, was passiert, explizit zu.
„Wir lernen als Heranwachsende nicht, über unser Begehren zu sprechen. Es ist sehr wenig Wissen darüber vorhanden, wie wir mit unserer Sexualität gut und ethisch korrekt umgehen.“
Seit #metoo wird wieder viel darüber diskutiert, was einvernehmlicher Sex ist. Mit dem Prinzip einer konsensbasierten Sexualität scheinen immer noch recht wenige Menschen vertraut zu sein. Wir lernen als Heranwachsende nicht, über unser Begehren zu sprechen. Es ist sehr wenig Wissen darüber vorhanden, wie wir mit unserer Sexualität gut und ethisch korrekt umgehen. Und genau da hat diese Community viel zu bieten: wie man zu einer gewaltfreien Kommunikation über Sex kommt, also einer, die nicht Zustimmung erschleicht, sondern die offen, ehrlich und respektvoll ist.
Wie vermittelt man so etwas im Museum? Wir zeigen einfach, wie innerhalb der FLT*I* Community BDSM praktiziert wird. Die Schau basiert auf einer partizipativen Ausstellung, das heißt die Inhalte wurden zusammen mit Menschen aus der Szene erstellt. 33 Einzelpersonen werden ausführlich porträtiert. Außerdem gibt es über 70 Exponate, Spiel-Fotografien und auch ein Rahmenprogramm mit Events. Eine Lieblingsveranstaltung von mir ist „Ask a pervert“. Da stellen sich fünf Leute aus der Community den neugierigen Fragen des Publikums.
Proudly Perverted – Ein Blick in die FrauenLesbenTrans*Inter* BDSM Community, 06.09.- 04.11.2018, Schwules Museum
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