Fummel, Kampf und Kohlsuppe: Alles Gute, Wolfgang Theis!
Wolfgang Theis, der das SMU mitbegründete, ist 70 geworden. Für die SIEGESSÄULE blickt sein ehemaliger Mitbewohner Bernd Gaiser zurück auf eine Zeit, die die Berliner Szene bis heute prägt
Zum 33. Geburtstag des Schwulen Museum Berlin und zum 70. Geburtstag seines Gründers Wolfgang Theis liegt es nahe, ein Resümee zu ziehen. Und auf ein Leben zurückzublicken, das schon viele Überraschungen für uns bereithielt – etwa in den Jahren von 1977 bis 2012, in denen ich mit Wolfgang in einer WG wohnte. Zusammen mit dem Gründer des Rosa Winkel-Verlags, Egmont Fassbinder, und Wolfgangs Lebensgefährten Jürgen Vetter waren wir die „Moselstraßen-Sisters“. Über diese Zeit gäbe es viele wilde Geschichten zu erzählen, das würde hier aber den Rahmen sprengen.
Stattdessen will ich etwas mehr über den großartigen Menschen Wolfgang schreiben, der es verstanden hat, sich immer wieder neu zu erfinden. Eine seiner besten Ideen war wohl, von seinem Heimatort Gärtringen aus nach dem damaligen Westberlin aufzubrechen. Und ich kann behaupten, dass sein Einzug in die Moselstraße kein Zufall war. Früh engagierte sich Wolfgang in der „Homosexuellen Aktion Westberlin“ (HAW), der ersten Organisation der neueren Schwulenbewegung in der BRD. Er war aber in der Szene nicht nur als Aktivist, sondern auch als Gastgeber berühmt: mit seinen rauschenden Festen und legendären Neujahrs-Borscht-Essen. Wehe, einer wagte es, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass es sich bei Borscht „lediglich um Kohlsuppe“ handle!
Seine wesentliche Bestimmung fand Wolfgang dann aber, als er sich 1985 gemeinsam mit Andreas Sternweiler und anderen zur Gründung des Schwulen Museums Berlin (SMU) entschloss, das weltweite Bedeutung erlangen sollte. Die queere Community und das SMU können sich übrigens glücklich schätzen, in Wolfgang alias "Käthe" auch eine „Gründungsmutter“ gefunden zu haben. Ab 2008, spätestens aber seit dem Umzug 2013 wirkte er gemeinsam mit verschiedenen Gruppen der queeren Community daran, das Museum zu öffnen, also einen Wandel einzuleiten, der bis heute Früchte trägt – etwa in Form des „Jahres der Frau_en“ , das den Blick auf die lesbisch-schwulen Wurzeln des SMU lenkt. Schließlich waren das Lesbische Aktionszentrum und das SchwuZ Ende der 1970er Jahre in der Kulmerstraße nicht zufällig unter einem Dach untergebracht.
Von dort ging auch die Initiative zum ersten CSD in Berlin aus. Zu dem sind Wolfgang und ich am letzten Sonnabend im Juni 1979 gemeinsam aufgebrochen. Ich im nicht glamourösen, aber meine Befindlichkeit ausdrückenden Fummel, zu dem ich mich durch Wolfgang habe inspirieren lassen.
In dieser Hinsicht: auf eine großartige gemeinsame Zeit voll gegenseitiger Anregung, und auf alle Überraschungen, die uns noch erwarten. Meinen Dank und Glückwunsch!
Bernd Gaiser
„Bernd _Daisy Gaiser" ist Mitbegründer des 1. CSD in Berlin und des Lebensort Vielfalt © Paul Welbourne
Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit, Führung mit Wolfgang Theis im Rahmen der Langen Nacht der Museen, 18:00, 25.08., Schwules Museum
„Doppelpass: Lesben, Schwule und der Feminismus",
31.08., Schwules Museum. Konferenz zu Ehren von Wolfgang Theis.
Ab 14:00: Diskussionen rund um queere Geschichte im Schwulen Museum
Ab 18:00: Screening des Filmes "Pride" im Bundesplatz-Kino
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