Pride

„Allah ist schwul“: Für Solidarität mit muslimischen LGBTI auf den CSD

26. Juli 2018
Amed Sherwan © Katrine Hoop

Amed Sherwan möchte mit einem „Allah Is Gay“-T-Shirt am Berliner CSD teilnehmen. Dafür erhielt er Morddrohungen. Patsy l'Amour laLove sprach mit dem Ex-Muslimen

Amed Sherwan floh aus der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, in der er mit 15 Jahren gefoltert wurde, weil sein Vater ihn für seine atheistische Überzeugung anzeigte. In Flensburg engagierte er sich in der Flüchtlingshilfe, bis er auch dort bedroht wurde. Aktuell ist er als LGBT-Aktivist aktiv. Beim Berliner CSD am Samstag will er für die Solidarität mit Ex-Muslimen und schwulen, lesbischen und trans* Muslimen demonstrieren. Dafür erhielt er Morddrohungen – was Sherwan nicht von seinem Kampf gegen den Hass abhält. Patsy l'Amour laLove unterhielt sich für SIEGESSÄULE mit Amed über die Beweggründe für seine Aktion

Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast! Wie geht es dir kurz vor deiner Berlinreise? Sehr gern! Ich freue mich über dein Interesse! Mir geht es ganz gut, wobei mich die Drohungen etwas erschüttert haben.

Von den Drohungen hast du auf Facebook berichtet – wie kommt es zu diesen heftigen Reaktionen? Wenn ich mich als Ex-Muslim für Homos und Trans ausspreche, triggere ich alle traditionellen Muslime, die Ex-Muslimen und Homosexuellen gleichermaßen den Tod wünschen. Wobei man als Mann gern einen Mann ficken darf. Aber wer gefickt wird, ist kein Mann, und wer das genießt, ist abnorm und krank. Im traditionellen Islam wird Homosexualität als Sünde betrachtet, man hat noch Glück, wenn man nur als krank angesehen wird. So war und ist es ja bei einigen Christen auch, aber in muslimischen Communities ist die Ächtung sehr heftig. Meine schwulen muslimischen Freunde outen sich nicht. Einige geben es nicht mal in ihrer Befragung als Asylgrund an, so groß ist ihre Angst, dass es rauskommt. Und einen Spaß darf man sich damit schon gar nicht machen.

Ist es da nicht zu gefährlich, beim CSD auf die Straße zu gehen?
Ich habe eigentlich gedacht, dass das in Berlin kein Problem ist, aber seit den Drohungen bin ich schon nervös und werde vorher mit der Polizei sprechen.

Was erhoffst du dir von der Aktion am Samstag? Es ist eine spontane Idee – ich hoffe ein Zeichen zu setzen gegen Hass und Intoleranz. Für Vielfalt und gegenseitige Toleranz quer zu Herkunft, Religion und sexueller Identität und Orientierung. Wir brauchen eine gemeinsame Bewegung für Menschenrechte.

Stark, dass du dich davon nicht abbringen lässt! Deine Message, beim CSD mitzulaufen ist dir also sehr wichtig … Ich gehe auf den CSD um für Offenheit und Toleranz auch in der muslimischen Community zu werben und mich als Ex-Muslim mit ihnen zu solidarisieren. Aber auch um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es auch im muslimischen Kulturkreis Vielfalt gibt. Und mein Shirt soll genau das mit etwas Spaß zeigen …

… auf deinem Shirt steht „Allah Is Gay“ … … ich weiß natürlich, dass der Spruch auf meinem Shirt provoziert – aber genau das gehört zu einer Öffnung der muslimischen Community dazu. Man kann nur etwas bewegen, wenn man Grenzen überschreitet. Und wer an Allah glaubt, muss ja die Logik darin erkennen, dass er die Menschen offensichtlich vielfältig geschaffen hat und deswegen selber auch alles sein kann.

Bekommst du mit deinem Aktivismus aktuell auch Unterstützung? Als Ex-Muslim finde ich leider leichter in rechtspopulistischen Kreisen Gehör, die meine negativen Erlebnisse mit dem Islam nutzen, um ihren Fremdenhass zu legitimieren. Dagegen wehre ich mich. Ich würde am liebsten gemeinsam mit anderen Ex-Muslimen und muslimischen LSGTTIQ*s die Vielfalt feiern. Aber die meisten trauen sich nicht. Ich erfahre inzwischen aber glücklicherweise sehr viel Unterstützung von weltoffenen Menschen. Viele haben mir geschrieben und mir gesagt, dass sie sich beim CSD solidarisieren wollen.

Sollte man sich also mit Islam-Kritik zurückhalten? Natürlich darf und muss man den Islam genauso kritisieren können wie jede andere Religion. Und natürlich muss man auch über Religion lachen dürfen. Ich verstehe und weiß, dass es schwer ist in einem Klima mit so viel Rassismus und Islamhass. Aber man darf den Extremisten nicht das Feld überlassen. Es ist wichtig, dass man sich mit den progressiven muslimischen Kräften solidarisiert und Ex-Muslimen Gehör verschafft.

Wie erreicht man diese Muslime oder Ex-Muslime?
Das ist sehr, sehr schwer. Die Angst vor Ächtung und Übergriffen ist sehr groß. Ich glaube aber, dass es was bringt, wenn wir, die selber aus dem Kulturkreis sind, den ersten Schritt machen und zeigen, dass es möglich ist sich zu outen und das Thema mit Spaß und Selbstironie anzugehen.

Du selber bist ja Ex-Muslim. Lebt es sich besser als Atheist?
Ja, ich habe dafür einen großen Preis gezahlt. Aber ich habe es nie bereut mich von dem Zwang zu befreien. Ich brauche keine imaginäre Autorität und absolute Wahrheit. Für Liebe brauche ich keinen Gott! Ich will lieber zu einem besseren Diesseits beitragen, als auf ein Paradies zu hoffen.

Interview: Patsy l'Amour laLove

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Amed Sherwan © Katrine Hoop

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