Ich glotz TV: Start der Filmreihe „rbb Queer"
Am 19. Juli startet mit dem britischen Liebesdrama „God’s Own Country“ eine Reihe mit schwul-lesbischen Spielfilmen im rbb. Unter dem Titel „rbb queer“ werden immer donnerstags Produktionen aus den letzten Jahren, größtenteils als TV-Erstausstrahlung, zu sehen sein
Am aktuellen Revival von „Will & Grace“ lässt sich vielleicht am besten ablesen, was sich da in den letzten 20 Jahren verändert hat. Als die US-Comedyserie 1998 startete, war eine schwule Serienfigur noch exotisch und eine wahre Sensation. Heute sind Will Truman und sein exaltierter Counterpart Jack McFarland einfach nur zwei weitere queere Charaktere unter vielen im Serienkosmos. Lesben, Schwule, Bisexuelle und mittlerweile auch trans* Menschen haben es in „Lindenstraße“-WGs oder auf den OP-Tisch von „Grey’s Anatomy“ geschafft. Alles super also?
Nur auf den ersten Blick. Mögen queere Charaktere auch manche Serie bereichern: queere Filme sind weiterhin Raritäten im deutschen Fernsehprogramm. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres machten sie lediglich eine Quote von 1,5 Prozent der ausgestrahlten Spielfilme aus, ermittelte Johannes Jarchow, Chefredakteur der Mediendatenbank QUEERmdb.
Jongens (Niederlande, 2014)
„Wir müssen hier also momentan noch von einer eklatanten Unterversorgung sprechen“, sagt Björn Koll, Geschäftsführer der Edition Salzgeber – einer der größten Vertreiber queerer Filme im deutschsprachigen Raum. Mit der neu geschaffenen Reihe „rbb queer“ wird diese Lücke zumindest vorübergehend etwas gefüllt: Bis September werden insgesamt neun Spielfilme zu sehen sein, sieben davon aus dem Programm von Salzgeber.
Überraschend ist, dass eine solche Filmreihe noch so etwas Besonderes ist und dass Filme wie der Berlinale-Hit „God‘s Own Country“ oder „Duke of Burgundy“, ein sinnlich-erotisches Fetischismusspektakel, nur unter einem queeren Reihentitel Platz im Programm finden. Zumal Zoltan Pauls Beziehungsdrama „Frauensee“ und Benjamin Cantus halbdokumentarische Coming-out-Geschichte „Stadt Land Fluss“ mit einer märkischen Agrargenossenschaft und den Lindower Seen unverkennbare Brandenburger Schauplätze haben, die eigentlich genau zum Konzept des Fernsehsenders passen.
Im Namens des … (Polen, 2013)
Der rbb hat für diese Filme nun einen Sendeplatz gefunden. Zu später Stunde zwar, aber immerhin. „Wir haben uns gesagt: Wenn wir schon ein kleines Paket queerer Filme ins Programm nehmen, dann lasst sie uns auch gleich in einer Reihe zeigen. Dadurch erhalten diese Filme eine ganz andere Aufmerksamkeit und Durchschlagskraft“, erläutert rbb-Programmdirektor Dr. Jan Schulte-Kellinghaus im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Schließlich habe sich der rbb vorgenommen, „sich in Zukunft anders und mutiger zu präsentieren“.
Es bedarf also selbst 2018 noch Mut, um Filme wie das polnische Priesterdrama „Im Namen des ...“ oder Ira Sachs‘ Indie-Drama „Keep the Lights on“ über eine von Cracksucht bedrohte Beziehung zu zeigen? „Es hört sich verrückt an, aber es hat tatsächlich seit vielen Jahren kein anderer Sender eine solche Reihe mehr gemacht“, betont Schulte-Kellinghaus.
Frauensee (Deutschland, 2012)
3sat nahm hier in den 90ern eine Vorreiterrolle ein, Arte hatte 2011 anlässlich des 25. Jubiläums des Teddy Awards einen Themenschwerpunkt gesetzt. Doch solche Reihen sind rar, und gerade etwas speziellere, queere Kinofilme fallen bei der regulären Programmgestaltung schnell durchs Raster. „Um Kino, das sich dem breiten Mainstream widersetzt, ins Fernsehen zu bringen, brauchte es immer schon mutige RedakteurInnen und ProgrammplanerInnen, die an die Neugierde und die Intelligenz ihres Publikums glauben“, sagt Koll. Betriebswirtschaftlich spiele eine Fernsehausstrahlung für den Verleih keine große Rolle, für Reichweite kann sie hingegen umso bedeutsamer sein – sofern die Filme tatsächlich auch Menschen vor die Glotze holen.
Beim rbb wird man die Einschaltquoten dieses Experiments – und als solches versteht man die Filmreihe dort – mit besonders großem Interesse verfolgen. „Wenn die Reihe mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen wird und es entsprechend viele Zuschauer gibt“, so Jan Schulte-Kellinghaus, „denke ich schon, dass wir eine solche Reihe fortsetzen könnten.“ Und Koll hofft, mit diesem Projekt „auch weitere dritte Programme oder sogar ARD und ZDF dazu motivieren zu können, mehr queere Filme in ihrem Programm zu zeigen“. An sehenswerten Produktionen mangelt es jedenfalls nicht.
Axel Schock
Die Filme der rbb-Reihe im Überblick:
19. Juli, 23.30 Uhr: God’s Own Country (Großbritannien, 2017)
26. Juli, 23.55 Uhr: Sascha (Deutschland, 2010)
2. August, 23.50 Uhr: Frauensee (Deutschland, 2012)
9. August, 23.55 Uhr: Keep The Lights On (USA, 2012)
16. August, 23.55 Uhr: Im Namens des … (Polen, 2013)
23. August, 23.45 Uhr: Jongens (OmU/Niederlande, 2014)
30. August, 23.45 Uhr: Duke Of Burgundy (OmU/Großbritannien, 2014)
6. September, 23.45 Uhr: Stadt Land Fluss (Deutschland, 2011)
13. September, 23.45 Uhr: Blau ist eine warme Farbe (Frankreich/Belgien/Spanien, 2013)
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