Politik

„Boris Palmer ist ein verbitterter Provinzbürgermeister“

11. Juli 2018
Bild: © GRÜNE Baden-Württemberg, CC BY-SA 2.0
Boris Palmer © GRÜNE Baden-Württemberg, CC BY-SA 2.0

Grünen-Politiker Boris Palmer sprach am Montag spöttisch von Tübingen als „LSBTTQI-Ankerzentrum“. Die LAG QueerGrün Berlin über dessen Äußerungen und die Frage, ob die Partei ein Homophobie-Problem hat

Boris Palmer gehört zu den umstrittensten Politikern der Grünen. In den letzten Jahren wurde ihm mehrfach vorgeworfen, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie zu schüren. Am Montag hat der Oberbürgermeister von Tübingen nun einen geschmacklosen Scherz auf Facebook veröffentlicht: Über dem Foto eines rosafarben gestrichenen Gehweges schrieb er, dass Tübingen jetzt zum „LSBTTQI-Ankerzentrum“ werde. Als Ankerzentren werden Aufnahmestellen für AsylwerberInnen bezeichnet, die als menschenunwürdige, isolierende Massenunterkünfte in der Kritik stehen.

Wir haben den beiden SprecherInnen der Arbeitsgemeinschaft QueerGrün Berlin, Maria Meisterernst und Ulli Reichardt, die sich bereits 2016 mit einem offenen Brief an Boris Palmer gewandt habe, ein paar Fragen per E-Mail gestellt

Maria und Ulli: vor zwei Jahren kritisierte er queere AktivistInnen als „zu dogmatisch“, vor kurzem unterstützte er öffentlich die homophobe Politikerin Sabine Kurtz. Nun postet er auf Facebook „Tübingen wird LGBTTQI-Ankerzentrum“. Was ist los mit Boris Palmer? Wir erleben Palmer leider auch nur noch in dieser dekonstruktiven und beleidigenden Haltung. Wenn er Aufmerksamkeit will, könnte er sich diese durch gute Politik verdienen und Tübingen zum Vorbild machen. Macht er leider nicht. Aktuell müssen sich die Tübinger Grünen fragen, ob er noch ihre Ideale und Ziele vertritt. Uns beschämen seine Ausfälle wieder und wieder.

Ihr habt Palmer bereits vor zwei Jahren für seine homophoben Äußerungen und sein provokantes, uneinsichtiges Redeverhalten in einem offenen Brief kritisiert. Abseits der queeren Grünen scheint es innerhalb der Partei wenig Kritik an der Person Palmer zu geben. Stimmt diese Einschätzung? Die Einschätzung teilen wir nicht. Viele Grüne, aus Baden-Württemberg, anderen Bundesländern und dem Bund, äußern sich öffentlich und direkt an Boris Palmer gewandt sehr kritisch. Hier sehen wir klar, dass seine Einstellungen und Haltungen von vielen nicht geteilt werden. Auch diesmal hat er wieder Gegenwind erhalten, wie beispielsweise von Volker Beck auf Twitter. Wir senden Palmer direkt unsere Kritik und wollen ihn nicht jedes Mal in seiner verqueren Weltsicht mit Öffentlichkeit füttern. Wir lassen uns von seinen Zwischenrufen nicht aufhalten und denken weiterhin, dass es wichtig ist, für eine offene Gesellschaft einzustehen. Deshalb planen wir auch gerade unsere Teilnahme am Berliner CSD und dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest.

Den Grünen ist in den letzten Jahren immer wieder vorgeworfen worden, sich von ihrer linken Basis zu entfernen und sich in eine deutlich konservativere Richtung zu entwickeln. Seht ihr ähnliche Tendenzen? Haben die Grünen ein Homophobie-Problem? Die Gesellschaft hat ein massives Homophobie- und auch Trans*phobie-Problem. Auch Berlin ist da leider keine Ausnahme. Hier müssen wir alle zusammen jeden Tag die Stadt bunter machen. Bei der aktuellen Weltlage wird immer wieder klar: wir Bündnisgrünen stehen als letzte verbliebene politische Kraft für Menschen auf der Flucht ein und kämpfen bundesweit gegen Vorurteile und Diskriminierung. Die Linke fällt da bundespolitisch gerade auseinander, zum Glück sind wir in Berlin mit #r2g weltoffen und heißen Refugees willkommen.

Wo seht ihr als junge, queere Menschen eure Zukunft in einer Partei, in der hohe Amtsträger sich so homophob äußern? Boris Palmer ist ein verbitterter Provinzbürgermeister, der seinen Respekt verspielt hat. Wir engagieren uns für LSBTTIQ* bei den Bündnisgrünen seit rund 10 Jahren, da sehen wir, was sich mit und durch Grün bewegt. Gerade in Berlin ist so viel los, Aufbruch in der Queerpolitik. Und bei uns Grünen sind nicht nur zur CSD-Saison unsere „hohen Amtsträger“, Bundesvorstand, Parlamentarierer aber auch viele Mitglieder – hetero oder nicht – für queere Rechte auf der Straße. Die LGBTTIQ*-Bewegung ist seit 40 Jahren Teil der Grünen DNA.

Interview: hage

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