Die wichtigsten Fragen zum HIV-Selbsttest
Noch in diesem Jahr sollen HIV-Selbsttests in Apotheken zum Kauf angeboten werden. Was man dazu alles wissen muss, verriet uns Holger Wicht von der Deutschen Aids-Hilfe (DAH)
Eine gute Nachricht: vorraussichtlich ab Herbst soll in Deutschland jeder selbst zu Hause einen HIV-Test durchführen können. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte kürzlich eine neue gesetzliche Regelung an, durch die HIV-Schnelltests an jeden frei verkäuflich werden sollen.
Wir haben Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) gebeten, uns die wichtigsten Fragen zum Selbsttest zu beantworten
Wie funktioniert ein HIV-Selbsttest genau? Sehr einfach, von Modell zu Modell aber etwas unterschiedlich. Zum Beispiel so: Mit einer kleinen Apparatur sticht man sich in die Fingerkuppe und nimmt mit einem Röhrchen einen Tropfen Blut auf. Das Ganze kommt dann kopfüber in eine Halterung mit einer Testflüssigkeit. In einem Sichtfenster zeigt nach kurzer Zeit ein Strich an, dass der Test funktioniert hat. Erscheint ein zweiter Streifen, ist das Ergebnis „HIV-positiv“. In diesem Fall muss ein Bestätigungstest mit einem anderen Verfahren gemacht werden. Das geht allerdings nicht zu Haus, sondern nur in einer Arztpraxis oder einer Teststelle, wo Tests mit Blutentnahme aus der Armbeuge gemacht werden.
Für wen ist der Test? Der Test ist für alle Menschen geeignet, die überprüfen wollen, ob sie sich mit HIV infiziert haben beziehungsweise eine Infektion ausschließen möchten. Wer lieber nicht in eine Arztpraxis oder eine Teststelle gehen möchte, kann auf den Selbsttest zurückgreifen. Andere werden sich mit dem Selbsttest vielleicht häufiger testen als bisher, weil es auf diesem Wege einfacher ist. Schwulen und bisexuellen Männern empfehlen wir übrigens einen jährlichen Routine-Check.
Ab wann und wo wird der Test in Deutschland erhältlich sein? Er wird voraussichtlich im Herbst auf den Markt kommen. Da vorher die Medizinprodukteabgabeverordnung geändert werden muss, steht der genaue Zeitpunkt noch nicht fest. Test-Sets werden voraussichtlich frei verkäuflich sein, können also zum Beispiel in Apotheken und Drogeriemärkten angeboten werden. Und natürlich über den Online-Handel.
Lässt sich schon etwas über den Preis sagen? In anderen europäischen Ländern wird der Test in der Regel für 25 bis 30 Euro angeboten, teilweise auch teurer. Was er in Deutschland kosten wird, ist noch nicht klar.
Wie verlässlich ist das Ergebnis? Ist der Test sehr fehleranfällig? Er ist genauso zuverlässig wie andere HIV-Tests. Voraussetzung: Man wählt eines der Modelle, die alle Qualitätskriterien erfüllen und geht genau nach Anleitung vor.
Kann es nicht auch belastend sein, einen solchen Test alleine durchzuführen? Klar, das kann es. Viel schlimmer aber ist es, wenn man jahrelang mit HIV lebt, ohne es zu wissen. Schwere Erkrankungen bis hin zu Aids können die Folge sein. Und auch wenn man den Selbsttest wählt, kann man sich Unterstützung holen. Die Aidshilfen bieten zum Beispiel vollkommen anonyme Telefon- und Onlineberatung an. Für schwule Männer gibt es auch einen Live-Chat. Wer den Selbsttest durchführt, sollte außerdem wissen: Mit HIV kann man heute gut leben! Die frühe Diagnose eröffnet den Weg zur Therapie. Unter Therapie bleibt man gesund und HIV ist nicht mehr übertragbar. Dieses Wissen kann eine große Entlastung sein.
Inwieweit bestehen bei einem Selbsttest auch Gefahren? Wie sind hier die Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen es solche Tests bereits gibt? Die Erfahrungen fallen bisher sehr positiv aus: Der Selbsttest wird viel von Menschen genutzt, die sonst keinen HIV-Test gemacht hätten. In Australien hat sich gezeigt: Schwule Männer testen sich dank Selbsttest häufiger. Und die befürchteten Dramen sind ausgeblieben. Bei HIV-positiven Ergebnissen kommen die Menschen nach allem, was wir bisher wissen, gut in der medizinischen Versorgung an.
Wie lange muss ich nach einer möglichen Infektion warten, bis ich mich testen kann? Der Selbsttest kann nach 12 Wochen zuverlässig ausschließen, dass eine HIV-Infektion vorliegt. Wer also sichergehen will, dass nichts passiert ist, wartet nach der Situation, in der es passiert sein könnte, 12 Wochen. Wenn eine HIV-Infektion vorliegt, zeigt der Test das aber in der Regel schon deutlich früher an.
Welche Produkte gibt es, was ist zwischen ihnen der Unterschied? Empfiehlt die DAH ein bestimmtes Produkt? Empfehlenswert sind Tests, die in Deutschland als Selbsttest zugelassen sind und das CE-Zeichen tragen. Außerdem sollten sie leicht anwendbar sein und eine Sensitivität (Empfindlichkeit) von annähernd 100% haben – das heißt, dass sie so gut wie keine HIV-Infektion übersehen. Diese Kriterien erfüllen derzeit der „Autotest VIH“, der „INSTI“ und der „Exacto Selbsttest“. Die Durchführung ist etwas unterschiedlich, am besten schaut man sich vor dem Kauf die Anleitung auf den Hersteller-Webseiten an.
Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts leben in Deutschland 12.700 Menschen ohne ihr Wissen mit HIV. Inwiefern soll der Selbsttest hier helfen? Er wird hoffentlich vielen dieser Menschen den HIV-Test erleichtern, weil er Aufwand und die Hemmschwelle senkt. Manche scheuen sich zum Beispiel in der Arztpraxis, im Gesundheitsamt oder in einer Teststelle einen Test zu verlangen, weil sie sich schämen oder fürchten, für ihr sexuelles Verhalten verurteilt zu werden. Andere schieben den Test vor sich her. Manche werden dank Selbsttest erstmals, andere häufiger einen HIV-Test machen. Er ermöglicht also mehr frühe HIV-Diagnosen und dann eine frühe Behandlung. Das schützt die Gesundheit der Betroffenen und verhindert weitere HIV-Infektionen.
In anderen Ländern ist der Selbsttest schon seit Jahren zugelassen. Warum kommt er in Deutschland erst so spät? Der Vertrieb von HIV-Tests war in Deutschland bisher nicht erlaubt. Hierzulande sind Diagnose-Mittel ja prinzipiell nicht frei verkäuflich, davon muss nun eine Ausnahme gemacht werden. Außerdem gab es Befürchtungen, dass der Test durch Anwendungsfehler falsche Ergebnisse produzieren könnte und dass Leute ohne Beratung mit dem Ergebnis alleine sein würden. Die Tests sind aber mittlerweile für die Anwendung von Laien optimiert und sehr einfach durchzuführen. Beratung kann man auch online und telefonisch anbieten. Und der Test führt dazu, dass Menschen sich testen und dann behandeln lassen. Die deutsche Fachwelt hat sich damit eingehend befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen: Unterm Strich überwiegen die Vorteile bei weitem.
Interview: fs
News der DAH zum Selbsttest: https://www.aidshilfe.de/hiv-selbsttest
Beratungsangebote der DAH: https://www.aidshilfe.de/beratung
Kampagnen zur HIV-Prävention:
„Ich weiß was ich tu“: https://www.iwwit.de/hiv-aids/hiv-test
„Macht doch jeder“: https://www.macht-doch-jeder.de/
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