Sexy Wadlstrumpf! Was turnt Schwule an der bayrischen Tracht an?
Auf Fetisch-Events ist sie kaum mehr wegzudenken: Die bayrische Tracht erfreut sich bei Schwulen wachsender Beliebtheit. Doch was genau macht den Reiz der folkloristischen Outfits aus
Wer das Wort Trachtenkleidung hört, denkt zunächst einmal an die Alpen, Bierzelte und hinterwäldlerische Naturburschen. Allerdings erfreut sich die bayerische Tracht mittlerweile auch unter Schwulen wachsender Beliebtheit: Hat man sich in den letzten Jahren auf Fetisch-Events wie dem Ostertreffen oder Folsom einmal umgeschaut, waren dort vermehrt Jungs in folkloristischen Outfits unterwegs. Auch gibt es immer mehr Veranstaltungen, die sich an Bayern- und Lederhosen-Begeisterte richten. Was genau aber turnt schwule Männer an der bayerischen Tracht an?
Olaf, Betreiber der Eventagentur male.space, veranstaltet Treffen für Fans der bayerischen Tracht und Lebensweise. Sein schwules Starkbierfest „O'zapft is!“ zieht reihenweise Berliner an, die sich zu diesem Anlass in Schale werfen, um gemeinsam im Augustinerkeller Zollpackhof zu bayerischer Blasmusik zu trinken und zu feiern. Für einige von Olafs Gästen hat die Begeisterung für Trachtenoutfits auch durchaus eine sexuelle Seite. Der gebürtige Bayer kann die Anziehungskraft der Tracht gut nachvollziehen, da sie im Grunde zwei Fetische vereint: „Das tragende Element ist ja das Leder. Trachten können deshalb besonders bei Leuten mit einem Lederfetisch eine sexuelle Konnotation haben. Der zweite Aspekt, der die Leute reizt, ist der ,Männlichkeits-Fetisch’, weil ein Mann in Tracht etwas unheimlich Maskulines ausstrahlt.“
Der Anblick bayerischer Tracht weckt offensichtlich Assoziationen mit dem wilden Jäger oder dem urigen Bauernkerl. Ähnlich wie die Zimmermannshose steht sie für ein klassisches, heteronormatives Männerbild und das entsprechende Verhalten. So wundert weder die sexuelle Aufladung unter Schwulen noch der Einzug der Tracht in die BDSM- und Fetisch-Community.
Der Trachtenstore Lederhosen-Stadl im Nollendorfkiez befriedigt so auch die Wünsche seiner besonderen Kunden: Unter den verschiedenen traditionellen Lederhosen gibt es Modelle, die besonders beliebt bei Fetisch-Fans sind. Ladeninhaber Matthias bestätigt, dass die Nachfrage größer geworden ist in den letzten Jahren. Er weiß, worauf seine Käufer Wert legen: „Das Arschversohlen in Tracht ist eine gängige Praktik. Hosen mit speckigem Glanz finden die meisten hierfür besonders geil. Feine Leibchen passen eher zum Oktoberfest, aber zu einer Arschversohlparty trägt man dann die kurze speckige Hose. Die klatscht beim Spanking auch am besten.“ Dieser Fetisch steht laut Matthias zum Beispiel bei den „Krachledern“-Sexpartys der Bösen Buben Berlin, die zu Ostern (Party bereits am 30.03.!) und in der Oktoberfestzeit stattfinden, im Vordergrund.
Der bayerischen Folklore haben sich auch die Querplattler, der bisher einzige schwule Schuhplattler-Club Berlins, verschrieben. Auf Fetisch-Events wie der Folsom sind sie oft zu Gast. Dennoch gibt es eine gewisse Distanz zur Fetischszene: „Natürlich finden wir alle Trachten sexy, aber nicht jeder von uns hat darin auch Sex“, erklärt Peter Kraus, Leiter der Querplattler. Ihm ist wichtig, dass der Tanz im Vordergrund steht. Der kommt interessanterweise wiederum aus einem sexuellen Kontext. Peter erzählt, dass vor 150 Jahren Trachtentänze als erotisch galten: Der Mann übernahm die Rolle eines „balzenden Auerhahns, der um das Weibchen wirbt“. Ursprünglich also ein heterosexueller Balztanz.
Ein Vorurteil, mit dem Trachtenliebhaber zu kämpfen haben, ist die Assoziation mit konservativem oder gar rechtem Gedankengut. „Das kommt daher, dass die Tracht in den 30ern und 40ern von den Nazis ideologisch instrumentalisiert wurde“, klärt Peter auf und erzählt weiter, dass sie nach einer langen Flaute erst in den 90ern wiederentdeckt wurde. So hielt sie nicht nur Einzug auf dem Oktoberfest, sondern auch in viele sexuelle Fantasien.
Gerade in Berlin wird Buntheit aber zum Glück auch bei den meisten Trachtenfans großgeschrieben. Es geht nicht um Politik, sondern um den Anblick von strammen Waden und Hintern in Lederhose. So herrscht sowohl bei Olafs bayerischen Events als auch auf dem Ostertreffen, der Folsom oder bei den Bösen Buben vielmehr das bayerische Lebensmotto „leben und leben lassen“.
Elliot Zehms
Krachledern Frühlingsfest, 30.03., 21:00, Böse Buben
Mehr Infos unter:
male.space
querplattler.de
lederhosen-stadl.de
boese-buben-berlin.de
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