Hilfe bei Sucht nach Substanzen: „Schwer, sich das einzugestehen“
Alkohol- und Drogensucht ist auch in queeren Szenen für viele ein Problem. Woran man eine Sucht erkennt und wie man Betroffene am besten unterstützt, erklärte uns Christoph Kraschl vom Verein ZIK
Drogen sind in Berlin Bestandteil vieler, auch queerer Subkulturen. Alkohol und illegalisierte Substanzen sind aus dem Nacht- und Szeneleben schwer wegzudenken. Über mögliche Probleme wird selten geredet: eine offene und ehrliche Diskussion über Suchterkrankungen fehlt oft auch innerhalb von LGBTI-Communities.
In der September-Ausgabe der SIEGESSÄULE, die nächste Woche erscheint, beschäftigen wir uns ausgiebig mit diesem Thema.
Vorab haben wir schonmal Christoph Kraschl vom Träger „ZIK – zuhause im Kiez“ zum Interview gebeten. Christoph leitet ein Team von SozialarbeiterInnen und betreut HIV/HCV-positive Menschen, die oftmals eine Suchtproblematik haben. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit, über Suchterkrankungen und über Substanzmittelgebrauch in schwulen und queeren Szenen.
Christoph, du arbeitest mit HIV/ HCV- positiven Menschen. Viele der Personen, die du betreust, haben auch eine Suchterkrankung. Kannst du uns aus deiner Arbeit erzählen? Wir betreuen an unserem Standort im Berlin-Lichtenberg derzeit knapp 80 Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischer Hepatitis C. Durch ihre chronische Erkrankung, psychische Beeinträchtigungen, Suchtprobleme und soziale Schwierigkeiten sind sie auf professionelle Hilfe angewiesen. Wir versuchen, mit unseren KlientInnen eine realistische Perspektive im Umgang mit ihrer Sucht zu entwickeln. Während einige Abstinenz anstreben, geht es bei anderen darum, wieder Kontrolle über ihr Konsumverhalten zu erlangen und die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.
Arbeitest du auch mit Personen aus der LGBTI-Community? Derzeit sind etwa ein Drittel unserer KlientInnen schwul beziehungsweise queer. Crystal Meth, Amphetamin und GHB – auch liquid Ecstacy genannt – werden vor allem von unseren schwulen KlientInnen konsumiert. Das Wirkspektrum dieser Drogen, das von leistungssteigernd bis euphorisierend beschrieben wird, erscheint vor allem in der schwulen Party- und Sexszene als attraktiv.
Wie ist, deiner Einschätzung nach, der Umgang mit Drogenkonsum in queeren Szenen? Der Konsum von Partydrogen und Chems ist in bestimmen queeren Kontexten Teil der Subkultur. Der oftmals gemeinsame Gebrauch einer Substanz kann ein Gefühl von Zugehörigkeit schaffen. Innerhalb dieser Party- und Sexszenen ist es sicherlich schwierig, Suchtverhalten zu problematisieren. Außerhalb der genannten Subszenen spielt Drogenkonsum meines Erachtens eine untergeordnete Rolle. Es gibt auch Queers, die zwar Drogen konsumieren, aber nicht suchtkrank sind, weil sie den Konsum punktuell gestalten und soweit kontrollieren können, dass er keine oder nur geringe Auswirkungen auf ihr Alltagsleben hat. Wenn sich jedoch eine Sucht entwickelt hat, ist es für Betroffene meist sehr schwer, dies sich selbst und anderen gegenüber einzugestehen.
Was sind Anzeichen für eine Suchterkrankung? Eine Suchterkrankung äußert sich je nach Person und Droge unterschiedlich. Es gibt jedoch ein paar Anhaltspunkte, die auf eine Suchterkrankung hinweisen: Starkes bis zwanghaftes Verlangen nach einer Substanz – oder auch nach einem Verhalten –, zunehmende Unfähigkeit, mit dem Konsum aufzuhören und ihn zu kontrollieren, Entzugserscheinungen beim Absetzen der Droge – diese können psychischer wie körperlicher Natur sein – und häufig auch eine Toleranzbildung, da sich der Körper an die Droge gewöhnt. Es wird eine höhere Dosis benötigt, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Welche Verantwortung haben Umfeld und Freunde? Wann spricht man mit den Leuten? Wann ist es Zeit, etwas zu sagen? Das lässt sich schwer pauschal beantworten. Die Qualität der jeweiligen Beziehung spielt sicherlich eine Rolle. Grundsätzlich würde ich empfehlen, Sorgen in Bezug auf die vermutete Sucht anzusprechen, ohne Vorwürfe zu machen. Letztlich muss jedoch der/die Betroffene für sich anerkennen, eine Suchtproblematik zu haben, um sich helfen zu lassen. In der Regel benötigen Suchtkranke eine professionelle Hilfestellung. Als erste Anlaufstelle empfehlen sich Suchtberatungsstellen, die kostenlose und anonyme Beratung anbieten. Betroffene erleben auch Selbsthilfegruppen oft als hilfreiche Unterstützung. Da der Umgang mit suchtkranken Freunden oder Angehören sehr belastend sein kann, macht es durchaus Sinn, sich selbst Unterstützung zu holen. Suchtberatungsstellen beraten auch Angehörige von Suchtkranken und es gibt eine Reihe von Selbsthilfegruppen für „Mit-Betroffene“.
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