Bewegungsmelder

Gute Schwule gehen Blut spenden, böse überall hin!

13. Aug. 2017
Dirk Ludigs (c) Tanja Schnitzler

Schwule dürfen jetzt Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex hatten. Was das Skandalöse an dieser neuen Richtlinie ist, klärt SIEGESSÄULE-Kolumnist Dirk Ludigs

Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen einer Gesellschaft, der Gleichberechtigung Spaß macht1, und der unseren? Na dann, willkommen beim Blutspenden in Deutschland.

Dabei hätte alles so schön werden können. Änderungen der Richtlinien waren angekündigt! Zugegeben, nicht ganz freiwillig, denn schon vor zwei Jahren hatte der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass ein Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen von der Blutspende nur gerechtfertigt ist, wenn sich Übertragungsrisiken nicht auf anderen Wegen reduzieren lassen.

In Deutschland dürfen Schwule seit 1983 kein Blut mehr spenden. Damals war die Angst vor Aids auf ihrem ersten Höhepunkt, BluterInnen infizierten sich über Blutkonserven, Tests auf den Virus gab es keine, ja, die Welt wusste nicht einmal, ob überhaupt ein Virus verantwortlich war. Seitdem ist ja nun einiges passiert, nur beim Blutspenden nicht.

Die neue Richtlinie, jahrelang von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut erarbeitet, liest sich ernüchternd. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen künftig Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex hatten. Ich wüsste nicht einmal, ob das für katholische Priester in einem Nonnenkonvent gilt, aber für mehr fehlt mir die Fantasie. „Transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ erwähnt die neue Richtlinie ebenso gesondert und schließt sie für ein Jahr aus, genauso wie „Heterosexuelle mit Risikoverhalten“ und SexarbeiterInnen.

Weil diese Gesellschaft keine ist, der Gleichberechtigung Spaß macht, wimmelte es im Netz sofort von Bundesärztekammer-Verstehern, schwulen natürlich inklusive: Der männerfickende Mann hätte eben 10.000mal so oft HIV wie die monogame Dame von nebenan; Blutspenden sei kein Menschenrecht, saubere Blutkonserven kriegen aber schon; heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten seien doch ebenfalls von der Blutspende ausgeschlossen, jede Konserve auf jeden Virus jeder Schlampe (m/w) zu untersuchen sei ja auch viel zu teuer ...

Alles schön und gut, alles kein Grund! Das Skandalöse an der den neuen Blutspende-Kriterien ist nicht, dass sie Menschen vom Spenden ausschließt, die ein erhöhtes Risiko haben, Viren oder Bakterien sexuell übertragbarer Krankheiten mit sich herumzutragen. Diskriminierend ist, dieses Kriterium entlang den Linien von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung aufzudröseln. Und zwar nicht, weil es keine Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Krankheiten z.B. bei Schwulen im Vergleich zu Heteros gäbe, die gibt es, sondern weil es nicht notwendig ist, diesen Unterschied zu bewerten. Das Risiko für die Blutkonserve macht sich nicht daran fest, ob die SpenderIn schwul oder trans* oder SexarbeiterIn ist, sondern ob die SpenderIn im diagnostischen Fenster der jeweiligen Krankheit einen Risikokontakt hatte. Das beträgt bei HIV zurzeit sechs Wochen. Wenn man ganz sicher gehen will: drei Monate. Egal wie hoch das Risiko schwuler Männer ist, sich mit HIV zu infizieren, sie deshalb ungleich zu behandeln, ist aus medizinischer Sicht nicht notwendig! Ein paar Länder, wie zum Beispiel Portugal, denen Gleichberechtigung offensichtlich mehr Spaß macht als der Bundeärztekammer, handhaben das deshalb auch schon so, in England und Schottland gilt ab 2018 der Drei-Monats-Ausschluss.

Diskriminierung ist eine Absonderung aufgrund eines Merkmals, das zur Absonderung nicht notwendig ist, eine Trennung, aus nichts heraus, als aus der Lust zu unterscheiden! Einem Virus ist die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität seines Wirtes egal, warum also nicht der Bundesärztekammer? Weil sie offensichtlich bis heute zwischen Gesundheit und Moral nicht unterscheiden kann. Wer unterscheidet, wo nichts zu unterscheiden ist, bewertet moralisch. Was die Bundesärztekammer also implizit der Welt mitteilt: Schwuler Sex ist weniger moralisch als der Sex zwischen Mann und Frau.

Kaum zu toppen, könnte man meinen, doch in einem Land, im dem so vielen Gleichberechtigung so wenig Spaß macht, gelingt das auch dem Lesben- und Schwulenverband! Der erklärte in seiner Pressemitteilung der Bundesärztekammer und uns in epischer Breite, dass ja nicht jeder schwule Sex gleichermaßen unmoralisch sein muss. Hier das Zitat, sonst glaubt es kein Mensch: „Die Gruppe der MSM (Männer, die mit Männern Sex haben, Anm. d. A.), die beim Sexualverkehr Kondome benutzen oder andere Formen des Safer Sex beachten, hat mit Sicherheit ein weitaus geringeres Übertragungsrisiko als die Gruppe der MSM, die das nicht tun ... Dasselbe gilt für die Gruppe der MSM, die in einer monogamen Partnerschaft leben. Sie werden in keinem der Papiere erwähnt. Man tut einfach so, als ob sie dasselbe Übertragungsrisiko hätten wie promiske MSM, die unsafe mit anderen Männern verkehren.“

Hierzulande ist Diskriminierung eben nicht nur ein Zeitvertreib für Ärzte. Ein bisschen diskriminieren, das machen hier einfach alle gerne – unterschiedslos!

Dirk Ludigs


1 eine Formulierung des Bloggers Frank Stauss, für die ich mich herzlich bedanke

Folge uns auf Instagram

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.