Szene

Lesbenhass und Sexismus in Facebook-Beiträgen

3. Aug. 2017

Auf Beiträge von Frauen* im Internet folgen oft Kommentare mit sexistischem Inhalt – auch in Foren der LGBTI-Community. Was daran problematisch ist, erklärt SIEGESSÄULE-Redakteurin Franziska Schulteß

Auf dem diesjährigen lesbisch-schwulen Stadtfest, am Stand der SIEGESSÄULE: Viele bleiben stehen, manche mit Kritik, manche mit Lob, andere nur, um zu quatschen und über den Regen zu lästern. Und dann hören wir dies: „Ich hab ja nichts gegen Frauen, aber … die Siegessäule ist mir zu lesbisch!“ Wenn einem im echten Leben so ein Statement begegnet, kann zumindest reagiert und nachgefragt werden. Schwerer ist dies bei Aussagen, die in der digitalen Welt getroffen werden.

Unter einem SIEGESSÄULE-Kommentar zu Lesben in der AfD fand sich, unter anderem, dieser Facebook-Post: „Ein weiterer Grund, Lesben nicht wirklich ernst zu nehmen!“ Bezog sich das auf Lesben in rechtspopulistischen Parteien? Oder auf die Verfasserin des Artikels, die somit als „nicht ernst zu nehmende Lesbe“ abgestempelt wurde? Letzte Woche folgten dann auf einen Kommentar über Maite Kellys Auftritt beim CSD eine große Anzahl wütender Beiträge. Nun kann man von Maite Kelly und dem CSD-Bühnenprogramm halten, was man will, aber nicht wenige Posts beschäftigten sich gar nicht mehr mit dem Inhalt des Artikels. Stattdessen thematisierten sie das Geschlecht, das Alter, die sexuelle Orientierung und das Aussehen der Verfasserin: „Den Artikel hat eine übellaunige alternde lesbische Frau geschrieben“, „Hässliche Menschen schreiben hässliche Artikel“, und: „Wahrscheinlich ist die Autorin des Beitrags nur sauer, dass sie von Maite nicht ... wurde!“

Es ist nichts Neues, dass es in Online-Diskussionen brachialer zugeht als im analogen Miteinander. Face-to-Face läuft das, was man sagen will, in der Regel noch durch eine Art sozialen Filter. Dieser testet, ob der Tonfall der Situation und dem Gegenüber wirklich angemessen ist. Im Internet fällt dieser Schritt oft weg. Emotionen werden in Worte verpackt und ohne Filter zum Ausdruck gebracht.

Muss das aber problematisch sein? Viele der Facebook-Kommentare forderten, dass man so etwas „eben aushalten“ muss, wenn man öffentlich eine Meinung abgibt, die geneigt ist, zu provozieren. Stimmt das? Ja – wenn das Netz ein neutraler Raum wäre, in dem Gesellschaftliches sich nicht niederschlägt. So funktioniert aber die Online-Welt nicht. Dinge mit gesellschaftlicher Relevanz haben auch Relevanz im Netz – wie zum Beispiel Frauen*- und Lesbenfeindlichkeit und (Hetero-)Sexismus.

Die britische Tageszeitung The Guardian untersuchte Hassbotschaften der letzten zehn Jahre auf ihrer Webseite. Das Ergebnis: acht von zehn der JournalistInnen des Guardian, die in den Tweets am meisten bedroht wurden, waren Frauen. Die beiden anderen, deren Artikel am meisten Hassbotschaften nach sich zogen, waren schwarze Männer.

Ingrid Brodnig ist Journalistin und Autorin und hat zwei Bücher zum Thema Mobbing und Fake News im Netz veröffentlicht. Eine zentrale Erkenntnis ihrer Arbeit: Hassbotschaften führen dazu, dass die Betroffenen sich nicht mehr äußern. Brodnig spricht in diesem Zusammenhang von „Silencing“, vom Mundtot-Machen von Menschen über diskriminierende Aussagen und Aggressionen. Das Podcast-Team „Just not Sports” hat ein Video gedreht, um den Effekt zu verdeutlichen. In dem Video lesen Dritte den Sportmoderatorinnen Sarah Spain und Julie Dicaro die Hasskommentare vor, die gegen die Frauen im Netz verbreitet wurden. Beim Zuschauen merkt man, wie unangenehm das den Protagonisten ist. Angriffe auf das Äußere, sexuelle Anspielungen bis zu Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien. „Ich will das nicht vorlesen,“ sagt einer. Zu betroffen macht ihn, was er da aussprechen soll.

Natürlich: dies sind extreme Beispiele. Kommentare, die jemanden als alte oder hässliche Frau bezeichnen, sind mit Gewaltdrohungen nicht gleichzusetzen. Dennoch greifen beide Statements, wenn auch in verschiedener Absicht und mit unterschiedlicher Vehemenz auf sexistische Denkmuster zurück. Frauen* werden, seit es das Patriarchat gibt, vor allem darüber beurteilt, wie die Gesellschaft sich „Frau-Sein“ vorstellt. Zu dieser Vorstellung gehören: das Äußere, die sexuelle Verfügbarkeit und das Alter der Frau*, sprich, die Art und Weise, wie sie die Rolle, die ihr zugedacht ist erfüllt. Und deshalb ist es auffallend, dass sich, wenn eine Frau* einen Kommentar schreibt, sofort auf ihr Frau-Sein bezogen wird. Das gilt auch, wenn das ganze nicht in einem Medium wie dem Guardian, sondern in einem Forum der LGBTI-Community stattfindet. Und man das, was eine Lesbe geschrieben hat, sofort mit ihrem Lesbisch-Sein in Verbindung bringt. Das verweist uns auf unsere Plätze – und funktioniert auch, wenn die Person, die selbiges postet, es gar nicht so gemeint hat. Provozieren Frauen*, die sich öffentlich äußern? Provoziert lesbische Sichtbarkeit? Finden wirklich viele in der schwulen Community, dass Lesben sich zu viel herausnehmen?

Sich mit Sexismus nicht zu beschäftigen, ist nicht nur unsolidarisch, gerade hinsichtlich des antifeministischen Backlashs der letzten Jahre von Birgit Kelles „Dann mach doch die Bluse zu“ bis zum völkischen Familienmodell der AfD. Man tut sich auch selbst damit keinen Gefallen. Denn Antifeminismus geht immer mit LGBTI-Feindlichkeit einher. Starre an der Heteronorm orientierte Geschlechterrollen schaden allen Buchstaben des LGBTIQ+... Alphabets. Und sexistische Kommentare, die uns auf diese Rollen zurückwerfen, tun dies in letzter Konsequenz ebenso. Es ist im Grunde ganz einfach. Diskutiert werden kann nach Herzenslust, heftig und deutlich. Aber bitte mit einem Auge darauf, wo der Debattenbeitrag aufhört und wo die sexistische Botschaft beginnt.

Franziska Schulteß

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