Kommentar

Mercedes Benz wirbt mit Transmann Benjamin Melzer: Weg vom Schmuddelimage, hin zur Akzeptanz?

4. Juni 2017

Die Geschichte eines Transmannes wird in einem neuen Werbespot von Mercedes genutzt, um Autos zu verkaufen. Ein Gastkommentar von Till Amelung

Mercedes Benz hat eine neue Werbekampagne: #Grow up!, heißt die Botschaft, mit der um Kundschaft und Sympathien geworben wird. Im dazugehörigen Spot werden alle bekannten, floskelhaften Weisheiten dazu verkündet: sich gut benehmen, einen guten Job finden, eine Familie gründen. Verschiedene Menschen, wechselnde Szenen und immer wieder ein Mercedes Benz im Bild. Die Kampagne wird durch eine Videoreihe namens A Guide to Growing up ergänzt, in der in acht Folgen unterschiedliche Menschen vom Schauspieler Heiner Lauterbach interviewt werden. Den Anfang macht das Model Benjamin Melzer. Melzer ist einer breiteren Öffentlichkeit seit 2016 bekannt, als er es als erster Transmann auf das Cover der Men’s Health schaffte. Seitdem hat er bei verschiedenen Gelegenheiten offen über seinen Angleichungsprozess gesprochen. Nun erzählt er unter dem Titel #Sei Du selbst, eingerahmt von stimmungsvollen Videosequenzen, Heiner Lauterbach, wie es zur Entscheidung der Geschlechtsangleichung kam.

Davon abgesehen, dass das Video einen aus meiner Sicht sehr guten Einblick in die Gefühle und Beweggründe von trans Menschen gibt, den Weg der Geschlechtsangleichung zu gehen, so bleibt doch die Frage, was nun Mercedes Benz mit dem Thema zu tun hat. Aus Sicht des Marketings will Mercedes Benz offenbar das Image der biederen Bonzenkutsche abstreifen. Die Wagen der Firma sollen nun auch mit Unkonventionalität und Individualität verknüpft werden.

Interessant ist nun, dass die persönliche Geschichte einer Geschlechtsangleichung als passend für diese Botschaften angesehen werden und selbstbewusst erzählt werden können. Sehr lange umwehte das Transthema der Hauch des Schmuddeligen und Verrückten – so taugte es dann eher für sensationsheischende Reportage-Sendungen, wo man nur die Wahl zwischen Drama und entwürdigend-vorführenden Zooeffekt hatte. Ein Negativbeispiel aus der Werbung ist ein Spot von Opel aus dem Jahr 2006, wo eine operierte Transfrau die Genital-OP nach drei Tagen wieder rückgängig machen will und Opel mit seinem dreitägigen Proberecht wirbt. Nun bleibt es allemal ungewöhnlich, aber dass ein Großkonzern wie Mercedes Benz das Thema als ideal für seine Botschaften betrachtet, zeigt, dass zumindest eine Form der Normalisierung eintritt. Weitere Beispiele sind die Kampagnen von Vodafone sowie H & M.

Einerseits überrascht mich die fortschreitende Akzeptanz positiv, jedoch sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass diese alle Transmenschen automatisch miteinschließt. Nicht zuletzt sollte man nicht vergessen, dass Inklusion erst dann vollbracht ist, wenn jemand wie Melzer aufgrund seiner Ausstrahlung und Attraktivität als Model gebucht wird und nicht nur, weil er eine Transgeschichte zu erzählen hat. Außerdem muss die Frage gestellt werden, wie weit die Akzeptanz in diesen Großkonzernen faktisch reicht, die Trans für Werbung benutzen. Gerade auch im Berufsleben machen viele Transmenschen oftmals noch erhebliche Diskriminierungserfahrungen. Solange diese Situation sich nicht grundlegend bessert, kann ich mich nicht uneingeschränkt über Werbung mit Trans-ProtagonistInnen freuen.

Till Amelung

Mercedeswerbung mit Benjamin Melzer auf youtube


SIEGESSÄULE-Interview mit Benjamin Melzer (01.11.2015)

mobil-Version des Interviews

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