Film

Eine Frage der Glaubwürdigkeit: „I Am Not Your Negro“

30. März 2017
James Baldwin © Salzgeber

„I Am Not Your Negro“ ist zugleich ein aufrüttelnder Film über die Diskriminierung der Schwarzen in den USA, aber auch ein fragwürdiges Porträt des homosexuellen Bürgerrechtlers James Baldwin

Mit seinen Reden und Schriften wurde James Baldwin zu einer Leitfigur der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die Doku „I Am Not Your Negro“ porträtiert nicht nur den 1987 verstorbenen homosexuellen Aktivisten, sondern erzählt bis in die Gegenwart hinein von der Unterdrückung der schwarzen US-amerikanischen Bevölkerung. Ein wichtiger Aspekt bleibt dabei aber außen vor

Selten hat man in einer Doku derart aufrüttelnde und kraftvoll komponierte Bilder gesehen, die in aller Schärfe die Diskriminierung der Schwarzen und die sozialen Gegensätze auf die Leinwand bringen. Dabei liegt die größte Stärke des Films darin, diese fast ausschließlich von den klarsichtigen Gedanken Baldwins kommentieren zu lassen, der uns mittels Archivaufnahmen entgegentritt oder dessen Texte von Samuel L. Jackson mit dunkler getragener Stimme aus dem Off gesprochen werden. Es sind so poetische wie bestechende Analysen, die die Unterschiede in der Wahrnehmung von Schwarzen und Weißen anhand von Politik, Zeitgeschichte oder dem Kino verdeutlichen: Wäre John Wayne ein Schwarzer, so Baldwin, würde man seine Indianer abschlachtenden Revolverhelden nicht als edle Patrioten feiern, sondern in ihnen nur rasende Irre erkennen.

„I Am Not Your Negro“ mag auf den ersten Blick wie ein großer Wurf erscheinen und doch lässt er einen ernüchtert zurück. Dass Baldwin homosexuell war, wird nur am Rande anhand eines FBI-Berichts erwähnt, der Film lässt ihn dazu nicht zu Wort kommen. Und das, obwohl er sich beständig in seinen Büchern oder in Interviews dazu geäußert hat. Er glaubte, dass sich der Rassismus in den USA nur überwinden lasse, wenn seine Landsleute auch zu einem anderen Umgang mit Sexualität finden würden. Beide Themen waren für ihn nicht voneinander zu trennen. Als offen homosexueller Mann wurde er in den 60ern neben Martin Luther King oder Malcom X zu einer Leitfigur der Schwarzen Emanzipationsbewegung. Was das für ihn in seiner Position bedeutete, welchen Angriffen er deswegen sowohl in den eigenen Reihen ausgesetzt war als auch im weißen Mainstream, der ihn als Martin Luther Queen verspottete, darüber erfahren wir hier nichts. Es mag schwierig sein, einen Film daran zu messen, was er nicht zeigt. Aber eines seiner zentralen Anliegen ist es, sich der Realität von Ungleichbehandlung und Diskriminierung zu stellen. Wenn er sich gleichzeitig über einen so wichtigen Aspekt ausschweigt, nimmt ihm das viel von seiner Glaubwürdigkeit. Und so ist „I Am Not Your Negro“ trotz aller Qualitäten leider eine Enttäuschung.

Andreas Scholz

I Am Not Your Negro, USA/F 2016, Regie: Raoul Peck,
ab 30.03. im Kino


In diesen Kinos läuft der Film im OmU

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