RuT und Schwulenberatung ungewollt im Konkurrenzkampf
RuT – Rad und Tat – Offene Initiative lesbischer Frauen e.V. und die Schwulenberatung Berlin bewerben sich um dasselbe Grundstück für ihre jeweiligen Wohnprojekte
Im September 2014 musste RuT e. V. einen herben Rückschlag einstecken: Nachdem schon beinahe alles fest geregelt war, glitt den Initiatorinnen ein geeignetes Grundstück für ihr Wohnprojekt in letzter Sekunde aus den Händen. Doch die lesbische Initiative ließ sich nicht aufhalten. Nach intensiver Suche, die durch die aktuelle Preislage auf dem Immobilienmarkt stark erschwert wurde, bewirbt sich der Verein nun um ein Grundstück auf dem Gebiet der Schöneberger Linse (zwischen Südkreuz und S Schöneberg). Das Projekt sieht 50 bezahlbare barrierefreie Wohnungen vornehmlich für ältere lesbische Frauen vor. Außerdem sind ein bis zwei Pflege-WGs, sechs Gästewohnungen und ein Kiez-Café geplant. Die Geschäftsführerin des RuT Jutta Brambach gibt im Interview mit SIEGESSÄULE.DE Einblicke in die Probleme der Grundstückssuche: „Es ist eine große Herausforderung. Wir als sozialer Träger wollen etwas bauen, aber die Mieten natürlich günstig halten. Damit dies gelingen kann, sind wir darauf angewiesen, ein möglichst günstiges Grundstück zu finden. Dies grenzt unsere Möglichkeiten sehr stark ein. Außerdem sind unsere eigenen finanziellen Mittel knapp. Einerseits fallen schon im Bereich der Planung eines solchen Wohnprojekts große Kosten an, andererseits müssen wir auch Eigenmittel beim Kauf eines Grundstücks einbringen.“ Deswegen bittet Jutta Brambach um kleine und große Spenden. „Jede noch so kleine Summe hilft uns.“
Leider muss der RuT e.V. mit anderen Institutionen konkurrieren, die sich ebenfalls um das Grundstück bewerben, unter anderem die Schwulenberatung Berlin. Letztere plant – zusätzlich zum bereits bestehenden Lebensort Vielfalt in der Charlottenburger Niebuhrstraße – ein Wohnprojekt mit 35 Wohnungen für die ältere Generation, hauptsächlich schwule Männer, und 25 Wohnungen für Trans- und Intermenschen sowie jüngere Lesben und Schwule. Die Planung orientiert sich am Bedarf, den die Schwulenberatung feststellt. „80 Prozent der über 350 Wartelistenplätze wurden von schwulen Männern angefragt“, erklärt Marcel de Groot, Geschäftsführer der Schwulenberatung Berlin, im Interview mit SIEGESSÄULE.DE. „Gerade ältere schwule Männer sind starker Diskriminierung ausgesetzt. So fallen in Seniorenheimen Sätze von Altersgenossen wie ‚Homosexualität ist doch verboten.‘“
Sowohl RuT e. V. als auch Schwulenberatung bedauern die konkurrierende Situation. Das Grundstück kann nur an eine der vielen interessierten Institutionen vergeben werden und bei beiden Projekten ist die Nachfrage deutlich höher als es die geplanten Kapazitäten zulassen würden. Umso wichtiger ist es, „ein Zeichen der Relevanz von queeren Wohnprojekten an das Land Berlin zu setzen“, so Marcel de Groot. Die hohe Nachfrage, die anhand der Wartelisten belegt werden kann, spiele dabei eine wichtige Rolle.
Am 21. Februar wird das Bewerbungsverfahren beendet. Eine Kommission bearbeitet und bewertet dann die Konzepte und führt eventuell vereinzelt weitere Auswahlgespräche. De Groot weist auf einen deutlichen Nachteil des gesamten Verfahrens für soziale Träger hin, da sie in etwa 50.000 Euro allein in die Bewerbung investieren müssten, im unglücklichen Fall vergebens. Interessierte sind herzlich zu den Info-Veranstaltungen der Wohnprojekte eingeladen. Sie finden am 27. Januar um 19 Uhr im RuT statt und am 26. Januar von der Schwulenberatung um 18 Uhr im Wilde Oscar.
Lena Volland
Mehr als schöner wohnen!: Frauenwohnprojekte zwischen Euphorie und Ernüchterung, 27.01., 19:00, RuT
Infoveranstaltung Lebensort Vielfalt 2, 26.01., 18:00, Wilde Oscar
Folge uns auf Instagram