Interview mit Volker Beck: „Man kann auch verlieren"
SIEGESSÄULE sprach mit dem schwulen Grünen-Politiker über die Gründe für seine Wahlniederlage
Gerade in den queeren Medien gab es einen Aufschrei, als Volker Beck von den Grünen Anfang Dezember nicht mehr für den Bundestag nominiert wurde. Er gilt als einer der prominentesten schwulen Politiker des Landes und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft durchgesetzt wurde. Als Grund für seine Wahlniederlage führen viele an, dass er Anfang März 2016 in Berlin mit der Droge Crystal Meth erwischt wurde. Wo Volker Beck selbst die Ursachen sieht und wie er seine politische Karriere einschätzt, hat SIEGESSÄULE mit ihm im Interview besprochen
Herr Beck, die Grünen haben Sie nicht mehr für den Bundestag nominiert. Was haben Sie falsch gemacht?
Wahlen sind Auswahlen. Wenn man antritt, kann man auch verlieren. Ich wusste, dass ich bei dieser Listenaufstellung nur Außenseiterchancen habe. Unsere Bezirke vergeben regional Voten und verhandeln diese untereinander, da war ich nicht auf dem Zettel: Denn ich hatte mich entschlossen, in meinem Kreisverband unseren Landesvorsitzenden zu unterstützen, dass er für die Bundestagsliste kandidieren kann. Dass dies das Risiko des Scheiterns bergen würde, war mir schon 2015 klar. Aber kneifen wollte ich deswegen nicht.
Für viele war es ein Schock, dass Sie nicht nominiert wurden.
Die Partei hat das Recht, bei solchen Wahlen eine Auswahl zu treffen und sich auch gegen mich als Kandidaten zu entscheiden. Ich bin mit mir im Reinen. Ich habe alles gegeben und werde weiter als Abgeordneter bis Oktober alles geben. Und dann beginnt etwas Neues in einer anderen Rolle außerhalb des Parlamentes.
Hat Ihnen geschadet, dass Sie mit Crystal Meth erwischt wurden?
Ich glaube eher, dass der Satz zur liberalen Drogenpolitik manche zum Stirnrunzeln brachte. Aber wir sind eine Partei, die immer gesagt hat, die Kriminalisierung von Konsumenten ist falsch, wir wollen eine Strategie von Hilfe statt Strafe. Wir wollen bei Cannabis zu legalen, staatlich kontrollierten Abgabeformen unter Berücksichtigung des Jugendschutzes kommen, deshalb glaube ich nicht, dass das ein wahlentscheidendes Element war. Das war nicht schön, das war Mist, das war ein Fehler, aber Politiker sind halt auch Menschen und machen Fehler.
Hätten Sie im Rückblick etwas anders gemacht in den letzten Jahren?
Politisch hätte ich nichts anders machen können. Ich glaube, ich habe gute Arbeit geleistet, habe meinen Kontakt zur Basis gehalten, viele Veranstaltungen gemacht. Es gibt auch immer Leute, die mit meiner Politik nicht an allen Punkten einverstanden sind, was die Auseinandersetzung um Religion und Beschneidung angeht, meine Positionen zu Israel, mein Nein zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Aber ich bin nicht in die Politik gegangen, um geschmeidig zu sein und um Zustimmungswerte zu optimieren, sondern um für meine Anliegen einzutreten. Das hat immer auch den Preis, dass man aneckt.
Sind Sie vielleicht zu sehr angeeckt, haben Sie zu sehr genervt?
Manche vielleicht ja, aber hätte ich nicht genervt, wären viele Sachen, die ich durchgesetzt habe, erst später oder gar nicht gekommen: die Renten für osteuropäische Juden, die im KZ waren, die Zwangsarbeiterentschädigungen oder das Lebenspartnerschaftsgesetz. Da gab es Widerstände in der Koalition und in der eigenen Partei – aber auch Kritik von der Schwulen- und Lesbenbewegung, weil wir auf eine Strategie gesetzt hatten, trotz Verhinderung von gleichen Rechten durch den Bundesrat mit gleichen Pflichten zu beginnen, damit wir politisch wie vor den Gerichten auf alle Rechte pochen können. Die ist aufgegangen: Das Bundesverfassungsgericht erklärt seit 2009 in schöner Regelmäßigkeit die Benachteiligung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe für verfassungswidrig. Wenn man etwas erreichen will, muss man manchmal in Kauf nehmen, dass einen nicht gleich alle verstehen und auch nicht alle gleich zustimmen. Aber das muss man aushalten, da muss man Mut zu vorausschauendem Handeln haben.
Viele Ihrer früheren Kritiker aus der Homo-Szene bedauern, dass Sie nicht erneut aufgestellt wurden.
Es freut mich natürlich, wenn ehemalige Kritiker nun meine Arbeit würdigen. Das gibt einem die Kraft, diese Wahlschlappe zu verdauen und ohne Bitterkeit in die Zukunft zu schauen und sich auf die nächsten kräftezehrenden Auseinandersetzungen, die absehbar vor uns liegen, auch vorzubereiten.
Was meinen Sie damit?
Wir leben in einer Zeit, wo vieles, was wir erreicht haben, infrage gestellt wird. Wir sollten nicht zaghaft sein, sondern wir sollten uns einmischen und die demokratischen Werte und die Rechte von anderen Minderheiten verteidigen. Jeder Bürger und jede Bürgerin können an ihrem Ort etwas tun, um die Rechten zu stoppen und um unsere Freiheit nicht nur zu erhalten, sondern auch da, wo sie noch beschränkt ist, auszuweiten.
Werden Sie weiter politisch aktiv bleiben?
Jetzt bin ich noch zehn Monate Abgeordneter, das ist genügend Zeit, um zu überlegen, was ich als Nächstes mache. Ich habe keine Sehnsucht nach bestimmten Ämtern und Rollen. Es gibt Politik nicht nur im Parlament. Ich bin politisch aktiv gewesen, bevor ich im Bundestag war, und das werde ich auch danach so halten.
Wer kümmert sich dann bei den Grünen um Ihre Themen wie Homo-Politik, Menschenrechte, Antisemitismus, Freundschaft zu Israel …?
Es gibt Gott sei Dank Nachwuchs, der sich um diese Themen kümmern muss. In Berlin beispielsweise Justizsenator Dirk Behrendt oder Terry Reintke in Europa. Es ist auch ein Fortschritt, dass man heute offen lesbisch oder schwul leben kann, ohne deswegen Lesben- und Schwulenpolitik als Hauptthema machen zu müssen. Ich mache mir da keine Sorgen. Wenn mein Rat gefragt wird, stehe ich meinen Kolleginnen und Kollegen auch mit Rat und Tat zur Verfügung.
Interview: Malte Göbel
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