„Es gibt inzwischen einen dunkelgrauen Markt für die PrEP“
HIV-Prophylaxe per Pille ist teuer. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert bislang vergeblich günstigere Medikamente und die Finanzierung auf Krankenschein ... Hier ist der Stand der Dinge
Wer sich per PrEP vor HIV schützen will, braucht auch weiterhin das nötige Kleingeld. Das stellte Ende November der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) klar – in seiner ersten Äußerung zur Finanzierung der sogenannten Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP). Im G-BA sitzen Fachleute aus Praxen, Krankenhäusern und Krankenkassen und legen fest, bei welchen Medikamenten die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten übernehmen.
Konkret geht es um die Erstattung des bewährten, aber teuren Medikaments Truvada. Es wirkt auch vorbeugend gegen HIV. Täglich eingenommen, senkt die Pille das Ansteckungsrisiko um fast 90 Prozent. An der Wirksamkeit zweifelt der G-BA nicht. Das Problem sind die Kosten. Derzeit liegen sie bei über 800 Euro pro Monat. Auch deswegen ist die PrEP als neue Safer-Sex-Methode umstritten. ÄrztInnen können sie zwar seit Oktober verschreiben, aber der Nutzer muss die Tabletten aus eigener Tasche bezahlen. Weil sich das nur wenige leisten können, bleibt die PrEP Theorie – anders als in Frankreich und Norwegen. In beiden Ländern bekommen Menschen mit höherem HIV-Risiko die PrEP kostenlos.
In Deutschland hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss elegant aus der Verantwortung gestohlen: Bei der PrEP, so der Vorsitzende Josef Hecken, werde Truvada weder gegen eine tatsächliche Erkrankung eingesetzt, noch sei es eine klassische Impfung. Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) kritisierte die Stellungnahme: Die Absage offenbare eine Lücke im Gesundheitssystem. Das Infektionsschutzgesetz oder aber die Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA könnten entsprechend verändert werden. Zudem müsse der Hersteller den Truvada-Preis deutlich senken.
„Wir müssen dringend eine Lösung finden“, fordert auch Jens Ahrens von der Berliner Aids-Hilfe (BAH). „Die PrEP ist ein weiterer, wichtiger Baustein der HIV-Prävention, der für alle verfügbar sein muss. Sie verhindert neue HIV-Infektionen.“ Zudem sei es nicht vertretbar, dass sich manche die PrEP leisten könnten und andere nicht. Hauptzielgruppe: die relativ kleine Gruppe von schwulen Männern, die beim Gelegenheitssex das Kondom weglassen, zum Beispiel weil sie sonst keinen hochbekommen. Die Sorge, dass die PrEP zu riskanterem Sex verleite, teilt Jens Ahrens nicht: „Menschen, die sich nach einer PrEP erkundigen, sind nicht sorglos – im Gegenteil: Sie wissen genau, dass sie Probleme mit Kondomen haben. Deshalb fragen sie sich: ,Wie kann ich mich besser vor HIV schützen?‘ Die PrEP wäre eine Möglichkeit.“
Als Berater der BAH weiß Jens, dass schon jetzt einige Berliner „preppen“. Die Medikamente besorgen sie sich illegal. „Es gibt inzwischen einen dunkelgrauen Markt für die PrEP“, berichtet Jens Ahrens. „Das zeigt, wie groß der Bedarf ist.“ Neben fragwürdigen Internet-Angeboten ist England eine wichtige PrEP-Quelle. Der Vorteil dort: Nutzer kommen online ganz legal an günstige Nachahmerprodukte aus Indien. Bisher nur auf eigene Kosten. Aber Anfang Dezember verkündete das staatliche Gesundheitssystem NHS England, dass in den kommenden drei Jahren zehn Millionen Pfund für PrEP-Rezepte bereitstehen – vorerst nur im Rahmen einer Studie. Sie soll klären, wie alltagstauglich die PrEP ist.
Die Untersuchung könnte auch das Vorurteil ausräumen, dass alle Schwule unverzüglich das Kondom weglassen, sobald sie das Medikament auf Rezept bekommen. Laut der jüngst veröffentlichten Flash-Studie können sich sowieso nur 44 Prozent der schwulen Befragten vorstellen, auf PrEP umzusteigen. „Die PrEP ist eine zusätzliche Schutzmöglichkeit“, betont Jens Ahrens. Das Kondom bleibe Hauptbestandteil der HIV-Prävention. „Viele können oder wollen nicht regelmäßig Tabletten nehmen“, so Jens Ahrens. Die Herausforderung sei aber die „Therapietreue“. PrEP-Nutzer müssen täglich eine Pille nehmen und vierteljährlich in die Praxis. Dort wird gecheckt, ob das Medikament unerwünschte Nebenwirkungen hat. Regelmäßige Tests stellen sicher, dass keine HIV-Infektion vorliegt. Andernfalls könnten resistente Viren entstehen. Das Fazit von Jens Ahrens: „Die PrEP ist wertvolle Ergänzung in der Prävention, ist aber komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.“
Philip Eicker
PrEP-Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses NHS stellt 10 Millionen Pfund für PrEP-Rezepte bereit Flash-Umfrage zu PrEP
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