Film

Aufgetakelte Krawallschachteln: „Absolutely Fabulous“

5. Sept. 2016

Die schrill-schrägen Fashion Ladys Eddy Monsoon und Patsy Stone erobern das Kino!

„Absolutely Fabulous“ kommt ins Kino. Eigentlich könnte mein Text nach diesem Satz enden, weil die einen längst jubelnd die Sektkorken knallen lassen, während die anderen genervt die Augen verdrehen. Obwohl – inzwischen kommt wohl noch eine neue Generation dazu, die fragt: Absolutely was?

Die britische Comedyserie lief schließlich in der grauen TV-Vorzeit – von 1992 bis 2003 – und in Deutschland nur bei Spartenkanälen, unter anderem beim kurzlebigen Schwulensender TIMM. Aber wer einmal den beiden aufgetakelten Krawallschachteln Edina (Jennifer Saunders) und Patsy (Joanna Lumley) dabei zusah, wie sie zugekokst eine Schneise durch ein Londoner Fashion-Event ziehen, im Morgengrauen lallend aus dem Taxi purzeln und in Eddys Küche ihren Kater zelebrieren, versteht, wieso die Meinungen über „AbFab“ so auseinander gehen. Verharmlosung von Drogen und Alkohol, wenig Respekt vor Recht und Gesetz und fiese Lästereien auf der nach unten offenen Gürtellinien-Skala: Ja, das ist geschmacklos und flach – und ja, das ist Camp pur, der „AbFab“ zur Kultserie und das Duo zu Dragqueen-Ikonen machte.

Nach mehreren Specials, zuletzt zu den Olympischen Spielen in London 2012, jetzt also der Spielfilm, und alle sind wieder dabei: Eddys verbitterte Tochter Saffy (Julia Sawalha), inzwischen selbst Mutter eines Teenagers, Eddys Mutter (June Whitfield), die verpeilte Assistentin Bubble (Jane Horrocks) und die „AbFab“-Promi-Stammgäste Kate Moss, Emma „Baby Spice“ Bunton, Stella McCartney und Lulu. Plus über fünfzig weitere Cameos – unter anderem von Joan Collins, Jean-Paul Gaultier, Dame Edna und Rebel Wilson (in einem viel zu kurzen Auftritt als Billigflieger-Stewardess) – und das komplette Dragqueen-Aufgebot des Vereinigten Königreichs, dessen groß angelegtes Casting im letzten Herbst wohl eher als PR-Aktion für den Film zu verbuchen ist (ebenso wie hierzulande die Werbung mit Conchita Wurst und Jorge González als Synchronsprecher winziger Rollen).

Bei Eddy und Patsy ist der Lack ab: Notdürftig von Botox, Makeup und Haarnadeln zusammengehalten, eiern sie stark aufs Rentenalter zu, was sie aber nicht daran hindert, sich weiterhin als legitime Queens der britischen Mode- und Clubszene zu betrachten. Ihr größeres Problem: Das Geld fürs tägliche Champagnerfrühstück wird knapp, weil Eddys PR-Agentur schwächelt. Und ihr größtes Problem: Beim Versuch, Kate Moss als Klientin zu gewinnen, landet das Model versehentlich auf Nimmerwiedersehen in der Themse. Da setzt man sich lieber nach Cannes ab, um dort das Geld-Problem auf Patsys Weise zu lösen: reich heiraten!

Es ist einer der seltenen weiblichen Buddy-Movies, den die Drehbuchautorin und „AbFab“-Schöpferin Jennifer Saunders da geschrieben hat, und dabei zeigt sie etwas, was männliche Drehbuchautoren häufig vermissen lassen: ein gehöriges Maß an Selbstironie. Ihr Humor macht eben vor nichts und niemandem Halt, ob nun dick, alt, reich, prominent oder trans* – und schon gar nicht vor ihren alternden Hauptfiguren und deren lächerlichem Jugend- und Körperkult. Nicht alle Pointen zünden, und der Plot ist so dünn, wie es Eddy gerne wäre, aber wenn Kritiker bemängeln, dass der Film nur eine auf Spielfilmlänge aufgepumpte Doppelfolge sei, höre ich Patsy genervt rufen: „Sweetie Darling, trink doch erst mal ein Fläschchen Champagner!“ Denn mehr Schein als Sein: Das ist doch genau das Motto der beiden ältesten Girlies der Welt.

Karin Schupp


Absolutely Fabulous – The Movie, UK/USA 2016, R.: Mandie Fletcher,
mit Jennifer Saunders, Joanna Lumley, Jane Horrocks, Kate Moss
ab 08.09. im Kino, Preview am 05.09. bei MonGay im Kino International, Trailer
Interview mit Patsy und Eddy in der September-Ausgabe der SIEGESSÄULE auf Seite 60/61

Interview mit Conchita Wurst zum Film auf SIEGESSÄULE.de

Folge uns auf Instagram

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.