FaulenzA im Interview: „Je besser mein Passing ist, desto weniger Gewalt erfahre ich“
Die Rapperin und Aktivistin FaulenzA stellt bei der SIEGESSÄULE-Lounge ihr neues Album „Einhornrap“ vor. Chefredakteur Jan Noll traf sie zum Interview
Die Liedermacherin, Rapperin und Trans*aktivistin FaulenzA veröffentlicht am 19.08. ihr neues Album „Einhornrap“ auf dem renommierten Berliner Label Springstoff. Wir sprachen mit der Künstlerin, die am Mittwoch, den 03.08. bei der SIEGESSÄULE-Lounge im Monarch auftritt, über Diskriminierung von Transfrauen, Einhörner und ihre Musik
FaulenzA, du kommst ursprünglich aus einem Folk-Background. Dein neues Album ist eine Hip Hop Platte. Wie kam's dazu? Angefangen hab ich eigentlich mit Punk. Ich spielte früher in Punkbands, die haben sich aber immer irgendwann aufgelöst und deshalb fing ich an, alleine Musik zu machen. Am Anfang eben nur mit meiner Gitarre und Gesang, so Liedermacherinnen-Musik mit einem Punk-Touch. Dann habe ich Hip-Hop für mich entdeckt: linken, feministischen Rap, zum Beispiel Sookee oder Lena Stöhrfaktor. Was mich daran sehr gereizt hat, war die Reimkultur. Es wird viel Wert auf schöne, ausgefuchste Reime und Wortspiele gelegt. Das baute ich dann auch immer mehr in meine Musik ein.
Dein Album heißt „Einhornrap“. Das Einhorn ist ja ein in der queeren Szene relativ häufig bemühtes Symbol. Was bedeutet es für dich? Ich nehme es auch als ein Symbol für die queere Szene wahr. Für mich steht es für Fantasie und Offenheit und dafür, dass es viele Lebensformen und Identitäten gibt – auch jenseits von dem was die Gesellschaft kennt und akzeptiert.
In den Tracks „Transmisogynie“ und „Safe Räume“ sprichst du über die Ausgrenzung von Transfrauen in FLTI-(Frauen, Lesben, Trans*, Inter-)Zusammenhängen. Dieses Thema beschäftigt vor allem auch die lesbische Szene schon länger. Wie krass nimmst du dieses Problem wahr? Ich muss mich schon häufig damit auseinandersetzen. In der feministischen Szene gibt es oft ein ganz komisches Denken über Transfrauen. Wir müssen uns da oft Dinge anhören wie: „Du bist doch eigentlich ein Mann, willst du dich nicht mit deinen männlichen Privilegien auseinandersetzen anstatt dich nur in unseren feministischen Räumen breitzumachen.“ Das habe ich im Zuge meines Coming-outs viel gehört und ich wurde viel von Feministinnen angefeindet. Deshalb war ich ganz lange überhaupt nicht in solchen FLTI-Räumen unterwegs. Vor meinem Coming-out eh nicht, aber auch danach wenig. Ich hatte immer das Gefühl, dass mich die Leute komisch anschauen und überlegen, ob ich trans genug bin oder nicht, ob das nur eine Phase ist, ob ich mich nur für einem Abend verkleide und so weiter. Ich war lange unsicher, habe viel überlegt, ob mein Passing gut genug ist, um dort akzeptiert zu werden. Dann gibt es ja auch FLTI-Räume, die ganz offen Transfrauen ausschließen, und reine Frauenräume, die keine Transfrauen wollen. Aber auch, wenn es kein offizielles Verbot gibt, merke ich, wo ich willkommen bin und wo nicht.
In diesem Kontext wird ja oft gesagt, dass Transfrauen nicht weiblich sozialisiert sind und deshalb bis zu einem bestimmten Punkt mit männlichen Privilegien großgeworden seien. Das kritisierst du auch auf deiner Platte. Ich halte auch öfter Vorträge zum Thema Transmisogynie und im Herbst kommt ein Buch von mir raus zu diesem Thema. Das heißt „Support your sisters not your cisters“. Ich höre das ganz oft von Leuten, gerade von Feministinnen. Sowas ärgert mich immer. Aber Cismenschen können überhaupt nicht wissen, wie eine transweibliche Sozialisation aussieht. Viele stellen sich vor, dass eine Transfrau ihr Leben lang glücklich als Cismann lebt und dann plötzlich aufwacht und denkt: „Ach so, ab heute wäre ich aber lieber eine Frau“. Und die Leute denken, dass man ab diesem Punkt überlegen könne, ob sie Diskriminierung erlebt oder von Sexismus betroffen ist. Das finde ich schlimm, weil es für mich ganz klar ist, dass Transfrauen und Transmädchen auch vor ihrem Coming-out ganz viel Diskriminierung erleben und keine cisprivilegierte Sozialisation haben. Die Gesellschaft verbietet uns, als Mädchen zu leben und man drängt uns als Kind und Jugendliche dazu, Männlichkeit zu zeigen, ein Junge zu sein. Das wird von vielen Feministinnen als Privileg gesehen. In meinen Augen ist das aber eine total krasse Gewalt, die vielen Transmädchen angetan wird. Viele versuchen eine Weile, männlich zu wirken, um nicht ausgeschlossen zu werden und um keine Gewalt zu erleben. Bei den meisten klappt das aber vorne und hinten nicht und sie werden dann doch als anders oder als zu weiblich gelesen. Sie werden von Jungencliquen und von Mädchencliquen ausgeschlossen und erfahren Mobbing in der Schule. Dann ist da die Angst vor dem Coming-out, die Angst Freunde oder Familie zu verlieren. Und erst die Pubertät! Viele Trans*menschen haben ja ein sehr schlechtes Verhältnis zu ihrem Körper. Dann ist die Pubertät eine ganz schwierige Zeit, gerade auch, weil es überhaupt keine Aufklärung zu Trans*themen gibt. Es gibt quasi keine Chance, sich mit anderen Trans*personen auszutauschen. Dagegen haben viele Cisjungendliche schon die Möglichkeit, ihre Pubertät mit anderen Jugendlichen zusammen zu zelebrieren, sich auszutauschen.
Das Album setzt sich sehr intensiv mit all diesen Problemen auseinander, dadurch wirkt es mitunter sehr düster. Schreibst du nur, wenn es dir schlecht geht oder du etwas kritisieren möchtest, oder stellt das Leben als Transfrau für dich tatsächlich einen dauerhaften Kampf dar? Als Transfrau habe ich schon dauerhaft mit Diskriminierung zu tun. Je besser mein Passing ist, desto weniger Gewalt oder Aggressionen erfahre ich. Ich schreibe oft über Dinge, die mich verärgert haben, aber ich versuche auch, meinen Optimismus oder Spaß zum Ausdruck zu bringen, das Ganze mit einem Augenzwinkern zu machen. Also nicht bloß niederschmetternd, sondern immer empowernd. Ich möchte unterstreichen, dass wir stark sind und Kraft haben.
Interview: Jan Noll
FaulenzA ist live am 03.08. bei der SIEGESSÄULE-Lounge „frisch gepresst“ im Monarch zu sehen. Eintritt ist frei! Beginn: 20:00
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