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Was macht eigentlich … das Musikkabarett Brühwarm?

13. Jan. 2016
Corny Littmann, Regisseur, Schauspieler und LGBTI-Aktivist © Stefan Malzkorn

Die schwule Theatertruppe Brühwarm tourte in den 70er-Jahren durch Deutschland. Die Musik kam von Rio Reiser und Ton Steine Scherben. Gründungsmitglied Corny Littmann gibt Auskunft

Die 70er-Jahre. Alles ist in Aufbruchstimmung, auch die Schwulenbewegung. In Hamburg gründete sich die Theatertruppe Brühwarm, die mit ihrem Musikkabarett erfolgreich durch Deutschland tourte: Corny Littmann, Danny Lewis, Ralph Mohnhaupt (†), Ernst Meibeck (†), Lutz Ulbrich, Claus Plänkers und Götz Barner. Wir haben Corny Littmann – heute Regisseur („Cavequeen“) und Theaterintendant (Schmidt Theater, Schmidts Tivoli) – gefragt, was aus der Truppe geworden ist

Im Januar wird im SchwuZ der Film „Leben wir unser Leben. Schwule und ihre Lieder“ gezeigt. Im Soundtrack hört man Lieder von Brühwarm. Von wem ist denn der? Wenn der von Detlef Stoffel ist, kenn ich den vielleicht. (Den Film hat Brigitte Schroedter 1979 für den Saarländischen Rundfunk gedreht; Anm. d. Red.)

Wann hat die Arbeit mit Brühwarm begonnen? 1976 sind wir das erste Mal aufgetreten, in Hamburg in der Fabrik. Das jährt sich ja in diesem Jahr zum 40. Mal. Erschreckend!

Ihr dachtet damals, man muss politisch was machen? Es gab damals in Deutschland eine bekannte freie Theatergruppe, „Rote Rübe“ aus Münster. Einer von ihnen war schwul und hat vorgeschlagen, ein schwules Stück zu machen. Aber das fand das Theaterkollektiv nicht so prickelnd. Und dann haben wir das miteinander geschrieben. Das war im Grunde genommen die Idee: Statt Flugblattschreiben machen wir mal Theater.

Und der Titel war? „Brühwarm. Ein schwuler Jahrmarkt“. Aus diesem ersten Stück entstand dann die Truppe Brühwarm. Wir sind durch ganz Deutschland getourt, meistens in Universitätsstädte. In München haben wir Rio Reiser und Ton Steine Scherben getroffen, die das Stück gesehen hatten. Aus diesem Treffen ergab sich eine Zusammenarbeit, und es entstand die erste Platte, „Mannstoll“, die zweite hieß „Entartet“. Dann haben wir mit dieser Musik eine szenisch musikalische Revue gemacht und wurden von Jahr zu Jahr bekannter. Unser größter Auftritt war auf dem Open Air Festival in Vloto vor 100.000 Leuten. Das ging alles bis Ende 1979. Nach vier Jahren war Schluss.

Zwei von euch sind verstorben. Hast du noch Kontakt zu den anderen? Ganz peripher. Ich hör mal was von Danny. Der Götz lebt ja hier auf St. Pauli, den treff ich hin und wieder. Ich weiß, was Claus Plänkers macht, der früher mit Dieter Rita Scholl als Duo unterwegs war, aber den hab ich auch Jahrzehnte nicht gesehen. Und auch zu den anderen hab ich keinen Kontakt mehr.

Eure „musikalische Revue“ hatte einen recht hohen emanzipatorischen Anspruch. Einen sehr moralisch-politischen Anspruch. Also wenn du die Lieder heute hörst … vieles ist so, dass du denkst, halleluja, wir haben da ganz schön auf die Pauke gehauen, was das Moralische und Missionarische anbetraf. „Sie haben uns ein Gefühl geklaut und das heißt Liebe“ war so eines, wo dann alle zu Tränen gerührt waren.

Heute wollen Schwule in die „Mitte der Gesellschaft“, was hättet ihr dazu gesagt? Wir haben uns nie in der Mitte gesehen, wir waren sehr randständig und überhaupt nicht bürgerlich, haben in WGs gelebt und gekifft.

Interview: Frank Hermann

Corny Littmann ist Regisseur, Intendant, Schauspieler und LGBTI-Aktivist. Er war Gründungsmitglied der schwulen Theatergruppe Brühwarm und bis 2007 Vereinspräsident des FC St. Pauli

„Leben wir unser Leben. Schwule und ihre Lieder“, Filmscreening in Anwesenheit von Claus Plänkers und Dieter Rita Scholl im Rahmen der „Polymorphia“, 15.01., 19:00, SchwuZ

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