Hinter den Kulissen
Bei „Gritty Glamour“ spielen vier queere Persönlichkeiten aus dem Berliner Nachleben fiktionalisierte Versionen von sich selbst. Premiere ist am 7. März im Ballhaus Naunynstraße
Wir müssen reden. Denn du könntest ein Problem haben. Es ist Zeit für „eine queere Intervention“ – das ist auch der Untertitel von „Gritty Glamour“, der neuen Show des deutsch-kolumbianischen Regisseurs Simon Jaikiriuma Paetau. Das Stück, das am 7.3. Premiere im Ballhaus Naunynstraße hat, stellt die Frage, inwieweit Kategorien und Strömungen wie „Race“, Postkolonialismus und Neoliberalismus Einfluss auf das queere Berliner Nachtleben haben. Keine leichten Themen, aber Paetau nimmt sich ihnen nicht nur auf eine äußerst geistreiche, sondern auch sehr kurzweilige Weise an.
Aber kann Theater dem überhaupt gerecht werden? Auf jeden Fall will „Gritty Glamour“ eine Diskussion in Gang bringen und das über Geschichten und Anekdoten, die seine Performer und Performerinnen selbst erlebt haben. „Das meiste der sogenannten queeren Hochkultur in Berlin ist dominiert von weißen, schwulen Männern, was natürlich die Frage nach der Sichtbarkeit anderer Identitäten aufwirft. Als ich gefragt wurde, ein Theaterstück am Ballhaus Naunynstraße zu inszenieren, war mir klar, dass dies die Möglichkeit eines kreativen Dialogs eröffnen würde“, sagt Regisseur Paetau. Mit dem Setting, das „Gritty Glamour“ entwirft, werden viele vertraut sein: ein Benefiz-Konzert in einem Kreuzberger Club. Das Drama spielt sich aber Backstage ab. Vier PerformerInnen warten auf ihren Auftritt im Scheinwerferlicht: Electro-Artist und Nightlife-Queen Maria Sumak, Rapper und Poet Blue Collar, Tänzerin und It-Girl Molina Puig und Drag-Chanteuse Greta Dietrich.
Sobald eine der KünstlerInnen auf die Bühne geht, verändert sich die Dynamik zwischen den drei im Backstage-Raum Verbliebenen. In dieser Matrix entstehen Gespräche, in denen jeder seine Sicht auf die Welt darlegt: auf Community, auf Sex, Liebe, Familie, den Verlust von Heimat oder die Beziehung zwischen Alltag und Bühnenidentität. Paeteau erklärt: „Das Theaterstück ist wie eine Box in einer Box, in einer Box. In ihr wird Identität dekonstruiert und die Frage aufgeworfen, ob wir mehr sind als die Summe unserer Beziehungen.“ Dass Pateau sich für vier AkteurInnen entschieden hat, die selbst eine zentrale Rolle im Berliner Nachtleben spielen, verleiht „Gritty Glamour“ Authentizität. Aérea Negrot, Black Cracker, Jair Luna und Dieter Rita Scholl treten in den genannten Rollen auf und steuern auch ihre Musik bei. Man sollte allerdings keine Biographien der jeweiligen KünstlerInnen erwarten. „Natürlich, da ist eine Tendenz bestimmte Manierismen meiner Bühnenidentität oder persönliche Erfahrungen in dieser Rolle zu verarbeiten, aber es ging darum neue Charaktere zu erschaffen“, sagt Sängerin Aérea Negrot. „Das Geschehen auf der Bühne beruht zwar auf Geschichten, die wir selbst erlebt haben, aber die Magie des Stückes besteht darin, dass wir sie gemischt haben mit verschiedensten Themen. Das reicht vom Kochen über Sex bis hin zur Religion.“
Das Ergebnis einer jeden „Intervention“ sind keine sofortigen Lösungen, sondern das Aufzeigen neuer Wege, um die Situation zu verbessern. Ein konkreter Schritt ist die dem Stück folgende Podiumsdiskussion, die ebenso in Englisch stattfindet: „Queerness and Postcolonialism“. Die Ideen und Konzepte von „Gritty Glamour“, die mit der Kultur dieser Stadt verbunden ist, sollen hier im Gespräch vertieft werden und eine konkretere Ausformung finden.
Walter Crasshole/Übersetzung: Andreas Scholz
„Gritty Glamour – Eine Queere Intervention“, in Englisch mit deutschen Übertitel, 07.03. (Premiere), 09.–11., 13., 14.03., 20:00, Ballhaus Naunynstraße
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