Filmreihe im rbb, BR und WDR

rbb-Queer-Festival: 17 queere Kinofilme im TV

4. Juli 2023 Jona Aulepp, as
Bild: Salzgeber/rbb
Szene aus dem Film „Einfach Charlie“ von Rebekah Fortune

Vom 4. Juli bis 15. August 2023 präsentiert zum sechsten Mal der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) die queere Filmreihe „rbb queer“ im TV. In diesem Jahr ist auch der Bayrische Rundfunk (BR) wieder mit mehreren Sendeterminen am Start, während sich zum ersten Mal der WDR mit einer Werkschau der lesbischen Regisseurin Céline Sciamma am Programm beteiligt

Wie schon im vergangenen Jahr schließt sich der Bayerische Rundfunk an, 2023 auch erstmals der WDR, so dass insgesamt 17 Filme „jenseits der Hetero-Norm“ in diesen Dritten Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens angeboten werden, die anschließend über die ARD-Mediathek abrufbar sind.

rbb-Programmdirektorin Martina Zöllner sagt: „Gemeinsam machen wir queere Lebensrealitäten sichtbar und zeigen Geschichten und Bilder, die berühren und unseren Blick auf die Welt bereichern.“ Das Ganze ist eine Kooperation mit dem Berliner Filmverleih Salzgeber, dessen Geschäftsführer Jakob Kilja erklärt: „Queeres Leben ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft und verdient eine entsprechende Sichtbarkeit. Seit sechs Jahren macht sich die vom rbb initiierte queere Filmreihe genau dafür stark, denn Filme erweitern unsere Wahrnehmung der Welt und tragen so zum gesellschaftlichen Wandel bei. Wir freuen uns sehr, dass die Initiative stetig wächst und nach dem BR im letzten Jahr nun auch der WDR mit dabei ist und queeres Kino in all seiner Vielfalt feiert.“

„Inzwischen ist die vom rbb initiierte Queer-Reihe zu einer ARD-übergreifenden Kooperation geworden“, betonte auch BR-Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm in einer Pressemitteilung des rbb.

„Tomboy“: Filmauswahl aus der Mottenkiste

Die erste Frage, die sich stellt, ist: Was für eine Filmauswahl treffen die Sender eigentlich? Und welche Vorstellung haben sie von „queer“? Das kann total in die Hose gehen, wenn die Filme mehr ein cis hetero Publikum bedienen sowie dessen Ängste in Bezug auf Vielfalt. Für mich ist hier der französische Spielfilm „Tomboy“ (2011) ein Negativbeispiel. Er wird oft als progressive trans* Geschichte gepriesen. Als ich sah, dass er jetzt Teil des Festivalgesammtprogramms ein, musste ich schlucken.

Für mich sagt dieser Film: „Liebe Eltern, es wird alles gut, euer Kind wird da wieder rauswachsen! Es muss sowieso irgendwann mit dem ‚Spiel‘ aufhören und einsehen, dass es eine Frau ist.“ Was man als queere*r Zuschauer*in jedoch hören möchte, wäre: „Liebe Eltern, gebt eurem mutmaßlich trans männlichen Kind Raum zum Ausprobieren, unterstützt und verteidigt es. Und vor allem: traut ihm zu, selbst am besten zu wissen, wer es ist.“ „Tomboy“ sendet die völlig falsche Botschaft an junge LGBTIQ*.

Wer schaut überhaupt noch Fernsehen?

Daran schließt sich eine weitere Frage an: Wer schaut überhaupt noch Fernsehen? Die jungen Menschen, die ich kenne, streamen das meiste und schalten, wenn überhaupt, nur für besondere Live-Ereignisse wie den ESC ein. Dass die Filme unter der Woche um 22:45 Uhr abends gezeigt werden, macht die Reihe auch nicht unbedingt attraktiver und fühlt sich ein bisschen nach Abstellgleis an. Das ist keine Blockbuster-Zeit.

Positiv kann man bewerten, dass die Filme in der ARD-Mediathek landen und dort kostenlos gestreamt werden können. Das schafft ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die sich Netflix & Co. nicht leisten können.

Eine sehr viel grundsätzlichere Frage ist, warum es dieses Angebot nur zur CSD-Saison gibt. Pride ist das ganze Jahr und sollte als selbstverständlicher Bestandteil einer bunten Gesellschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (re-)präsentiert werden. Fußball läuft ja auch das ganze Jahr über, und zur WM gibt’s Specials. Solche Specials könnten rbb-Eigenproduktionen sein. Es wäre ein ganz anderes Statement, selbst Filme, Serien und Dokus zu queeren Themen an den Start zu bringen, z. B. zu historischen LGBTIQ*-Themen, die bisher zu wenig vorkommen. Mit sensibel zusammengestellten queeren Casts und Regieteams.

Die 17 Titel des diesjährigen Queer-Festivals sind sortiert nach „Moderne Klassiker“, zu denen u. a. das Biopic „Tove“, „Sommer 85“ von François Ozon, „Weekend“ von Andrew Haigh, „Einfach Charlie“ von Rebekah Fortune und „Als wir tanzten“ zählen.

Dann gibt’s die Kategorien „Trans* Geschichten“ und „Sommerlieben“. Da wird klar: Es geht nicht nur um Verfolgung und darum, wie schwer es Queers in der Welt haben, sondern bewusst um positive Repräsentation und Mutmachen.

Die Highlights im Überblick

Bild: Salzgeber
Filmstill aus dem Biopic „Tove“ von Zaida Bergroth

Die Reihe, die sich vor allem auf das europäische Kino konzentriert, wartet wieder mit etlichen Highlights auf: Im Biopic „Tove“ (lief am 29. Juni) schildert die finnische Regisseurin Zaida Bergroth die privaten wie künstlerischen Leidenschaften der bisexuellen Zeichnerin Tove Jansson (1914-2001). Sie erfand die Mumins – knuddelige nilpferdartige Trollfiguren, die Generationen von Kindern begeisterten.

Der rbb beginnt die Reihe am 4. Juli um 22:45 Uhr mit einem Werk des wichtigen französischen Regisseurs François Ozon. Nach dem Roman „Dance On My Grave“ des britischen Schriftstellers Aidan Chambers erzählt der Film „Sommer 85“ die Geschichte des 16-jährigen Alexis, der von dem zwei Jahre älteren David bei einem Segel-Unglück gerettet wird. Daraus entspinnt sich eine erste große Liebe.

Weitere Höhepunkte sind: „Als wir tanzten“ des schwedischen Regisseurs Levan Akin. Es geht um die Liebe zweier Studenten an der Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis, die mit einem homophoben und von Machismen gepägten Umfeld konfrontiert sind. Céline Sciamma lesbisches Drama „Portrait einer jungen Frau in Flammen“ spielt am Ende des 18. Jahrhunderta und schildert in betörenden Bildern die Liebesgeschichte einer Pariser Malerin zu ihrem Modell. Ein Meisterwerk! „Einfach Charlie“ der britischen Regisseurin Rebekah Fortune ist ein einfühlsamer Coming-of-Age-Film über ein 14-jähriges trans Mädchen, das leidenschaftlich gerne Fußball spielt. Doch das Coming-Out als trans führt in dem Arbeitermilieu zu großem sozialen Druck. „Einfach Charlie“ ist neben „Wild Side“ und „Tangerine L.A.“ einer von drei Filmen mit Trans-Thematik.

Bild: Salzgeber
Szene aus dem Film „Als wir tanzten“ von Levan Akin

Sendetermine

Vor jeder Ausstrahlung im rbb stellt Filmexperte Knut Elstermann die Filme mit Infos zu Entstehung und Rezeption vor.

rbb QUEER,
dienstags im rbb Fernsehen und für 14 bzw. 30 Tage in der ARD Mediathek:

04.07. 22:45 „Sommer 85“, FRA 2020
11.07. 22:45 „Einfach Charlie“, GBR 2017
18.07. 22:45 „Sprung ins Kalte Wasser“, CYP/GRC/ITA 2021
25.07. 22:45 „Sweetheart“, GBR 2021
01.08. 22:45 „Weekend“, GBR 2011
08.08. 22:45 „Als wir tanzten“, GEO/SWE 2019
15.08. 22:45 „Tangerine L.A.“, USA 2015

BR QUEER,
donnerstags im BR Fernsehen und für 14 bzw. 30 Tage in der ARD Mediathek:

06.07. 23:15 „Wild Side", BEL/FRA/GBR 2004
13.07. 23:15 „Speed Walking", DNK 2014
20.07. 23:15 „Der Sommer von Sangailé", LTU/FRA/NLD 2015
27.07. 23:15 „Als wir tanzten", GEO/SWE 2019

WDR QUEER (Werkschau Céline Sciamma),
donnerstags im WDR Fernsehen und für 30 Tage in der ARD Mediathek:

03.08. 23:45 „Portrait einer jungen Frau in Flammen", FRA 2019
03.08. 01:30 „Water Lilies", FRA 2007
10.08. 23:45 „Tomboy", FRA 2011
10.08. 01:30 „Mädchenbande", FRA 2014
17.08. 23:40 „Petite Maman – Als wir Kinder waren", FRA 2021

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