HIV

Geplantes Risiko: Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP)

5. Dez. 2014
© Eleonore Roedel/ro-edel.de

Safer Sex könnte künftig auch anders gehen: ohne Kondom. Möglich machen soll dies die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP). Oder salopp: Die Pille davor und danach

Zwei mit Spannung erwartete PrEP-Studien mit schwulen Teilnehmern über die Wirksamkeit wurden nun überraschend abgebrochen. Warum das ein sehr gutes Signal ist? Diese und andere wichtige Fragen zur PrEP beantwortet Siegessäule-Autor Axel Schock

Was genau versteht man unter der PrEP?
HIV-Negative können sich durch die Einnahme von Medikamenten präventiv vor einer HIV-Infektion schützen. Konkret geht es um Truvada, eines der derzeit wichtigsten Präparate in der HIV-Therapie. Zu unterscheiden ist zwischen einer dauerhaften PrEP, die also täglich eingenommen wird und dadurch einen ständigen Schutz vor einer HIV-Infektion ermöglicht, und einer „anlassbezogenen PrEP“, oder etwas salopper: der Weekend-PrEP. Das bedeutet: Ich nehme die Pillen nur dann, wenn ich voraussichtlich riskanten Sex habe, zum Beispiel am Wochenende.

Man schluckt also auf Dauer HIV-Pillen, damit man sich nicht mit HIV infiziert und deshalb HIV-Pillen schlucken muss?
Klingt absurd, aber für bestimmte Personengruppen macht eine Dauertherapie tatsächlich Sinn. Zum Beispiel für Sexarbeiter, die sich auch dann vor einer Infektion geschützt wissen wollen, wenn die Freier auf Sex ohne Kondom bestehen. Oder für Paare, bei denen ein Partner positiv ist, sich aber keiner HIV-Therapie unterziehen möchte.

Wie sicher ist die PrEP?
Die Dauer-PrEP schützt nach bisher vorliegenden Studien zuverlässig, sofern die Tabletten vorschriftsmäßig jeden Tag eingenommen werden. Aber selbst wenn innerhalb einer Woche ein bis zwei Rationen vergessen wurden, war der Schutz noch ausreichend. Wie zuverlässig der schwule Mann bei der Tabletteneinnahme tatsächlich ist, soll die britische PROUD-Studie zutage bringen. Was die Weekend-PrEP angeht, wartet man derzeit gespannt auf die Ergebnisse der sogenannten IPERGAY-Studie, an der rund 400 schwule Männer teilnehmen, die nach eigenen Angaben hin und wieder riskanten Sex haben. Wie bei solchen Studien üblich wurde einem Teil der Probanden das Medikament und dem anderen Placebos verabreicht. Beide Studien wurden nun überraschend aus ethischen Gründen abgebrochen, und das ist keineswegs eine Horrormeldung, sondern ein Anlass zum Jubeln. Der Schutzeffekt durch Truvada sei nämlich nachweislich so groß, dass es nicht mehr zu verantworten sei, die Vergleichsgruppen weiterhin Placebos schlucken zu lassen. Genaue Daten sollen allerdings erst im Frühjahr 2015 veröffentlicht werden. Die Studien sollen nun noch ein Jahr weiterlaufen, jetzt allerdings mit geänderten Bedingungen: alle Teilnehmer bekommen Truvada und wissen auch darum.

Bin ich durch eine PrEP hundertprozentig vor einer HIV-Infektion geschützt?
Nein, es besteht immer ein Restrisiko, auch beim Sex mit Kondom. Entscheidend für die Wirksamkeit der PrEP ist, dass der Medikamentenspiegel im kritischen Zeitraum hoch genug ist. Der ist in Gefahr, wenn die Tabletten nicht konsequent nach Plan eingenommen werden oder durch Magen-Darm-Probleme wie zum Beispiel Erbrechen oder Durchfall nicht ausreichend Wirkstoff aufgenommen wird.

Ich habe morgen ein Date, bei dem es womöglich unsafe zugehen wird. Wie spontan kann ich eine solche Weekend-PrEP beginnen?
Handfeste verlässliche Daten, wann man vor und nach einem „geplanten Risiko“ wie viele Tabletten einwerfen muss, damit ein ausreichender Medikamentenspiegel im Körper aufgebaut ist und eine HIV-Infektion verhindert werden kann, gibt es noch nicht. Offensichtlich aber scheint das Einnahmeschema, das der IPERGAY-Studie zugrunde liegt, zu funktionieren: mindestens zwei und höchsten 24 Stunden vor dem geplanten Sex werden zwei Truvada-Tabletten eingenommen. Danach muss zur selben Uhrzeit (+/- ein bis zwei Stunden) jeweils eine weitere geschluckt werden, und zwar bis zwei Tage nach dem letzten riskanten Sexerlebnis.

Welche Nebenwirkungen und Langzeitschäden können die Medikamente hervorrufen? Truvada gilt allgemein als gut verträglich. Es kann zeitweilig zu Magen-Darm-Problemen kommen, außerdem werden durch das Medikament die Nieren stark belastet. Es ist deshalb sehr wichtig, einmal jährlich die Leber- und Nierenfunktionen überprüfen zu lassen. Grundsätzlich gilt: Die PrEP sollte nie ohne ärztliche Beratung eingenommen werden.

Was gibt es vor dem Start einer PrEP abzuklären?
Wichtig sind ein HIV- und ein Hepatitis-B-Test. Truvada ist praktischerweise auch ein Hepatitis-B-Medikament. Wer von seiner Hepatitis-B-Infektion nichts weiß, behandelt sie mit Truvada also gleich mit. Eigentlich ganz schön. Das Problem ist nur: sobald ich das Medikament nach meinem Sexdate wieder absetze, besteht die Gefahr, dass die Hepatitis B nun „aufflammt“ und womöglich gefährliche Komplikationen hervorruft. Auch für eine nicht erkannte HIV-Infektion stellt die PrEP ein Problem dar. Dann bildet das Virus beim On/Off-Gebrauch von Truvada nämlich Resistenzen und das Medikament steht später bei einer HIV-Therapie nicht mehr zur Verfügung. Daher ist ein HIV-Test nicht nur vor dem PrEP-Beginn unerlässlich, man sollte sich auch währenddessen mindestens alle drei Monate testen lassen. Noch mal ganz deutlich: Keine Selbstmedikation ohne ärztliche Begleitung und Beratung, und auf keinen Fall den Hepatitis-B-Test, die regelmäßigen HIV-Tests und Nierenkontrollen vergessen!

Was kostet die PrEP?
Der Preis für eine Truvada-Tablette liegt derzeit bei ca. 28 Euro. Für eine Weekend-PrEP benötigt man mindestens vier Tabletten. Die Monatsration einer Dauer-PrEP kostet rund 820 Euro. Geiz ist in diesem Falle ungeil: Wer die eine oder andere Tablettenration weglässt, um damit Geld zu sparen, gefährdet den Schutzeffekt.

Übernimmt das meine Krankenkasse? Nein, und es ist auch kaum zu erwarten. Wer eine PreP möchte, lässt sie sich auf Privatrezept von einem HIV-Facharzt verschreiben, der dann auch die Beratung und die begleitenden Kontrollen vornehmen kann.

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