365 Tage Sex
Der Performance-Künstler Mischa Badasyan hat Anfang September sein Projekt „Save the Date“ begonnen: Ein Jahr lang will er jeden Tag Sex mit einem anderen Mann haben
– Der Performance-Künstler Mischa Badasyan wurde 1988 in Russland geboren und lebt seit gut einem Jahr in Berlin. Für sein neuestes Kunstprojekt „Save the Date“ hat er sich vorgenommen ein Jahr lang jeden Tag ein Sexdate zu haben. Diese wird er auf unterschiedliche Weise dokumentieren. Neben einem Film, der begleitend gedreht wird, sollen auch Installationen, Fotografien und Performances entstehen. Um das Projekt umzusetzen, hat er sich auf vier verschiedenen Internetplattformen angemeldet, ist aber auch bereit, willige Opfer auf der Straße oder Abenteuer in Sexclubs und Cruising Areas zu finden
Was hat dich zu diesem Projekt inspiriert? Die Grundinspiration ist Einsamkeit. Ich hatte noch nie eine Beziehung, und ich dachte mir, wenn ich noch nie Liebe bekommen habe, muss ich selber Liebe teilen und weitergeben. Das ist das Ziel bei jedem Date: ehrlich und liebevoll zu sein. Grundlage ist außerdem die „Non-Places“-Theorie von Marc Augé. Diese besagt, dass vor allem in Großstädten diese Non-Places entstehen, wie Supermärkte, Shoppingcenter, Autobahnen. An diesen Orten entsteht keine Kommunikation zwischen den Menschen. Sie verlieren sich in ihnen und fühlen sich nicht mehr zugehörig. Daraus entsteht Einsamkeit. Jedes Mal, wenn ich zu einem Date gehe, ist es, als würde ich in einen Supermarkt gehen und etwas konsumieren.
Liebe geben und Sexualität konsumieren ist aber ein ziemlicher Widerspruch. Wie willst du damit bei deinem Projekt umgehen? Ich gehe davon aus, dass es genau deswegen irgendwie nicht klappen wird. Doch es ist für mich ein großes Experiment.
Wieso soll es jeden Tag ein Sexdate sein und nicht einfach ein ungezwungenes Date, bei dem man gemeinsam Zeit verbringt? Ich versuche damit die Idee davon, was Sex eigentlich ist, zu erweitern. Es geht dabei nicht nur ums Arschficken. Mich macht es zum Beispiel total an, Männer zu beobachten, wie sie auf der Toilette pinkeln. Wie sie sich dabei benehmen, ist für mich schon ein sexueller Akt, ein Fetisch. Aber auch Masturbation ist ein sexueller Akt. Küssen und sich dabei einen Runterholen ist für mich ebenfalls Sex.
Du suchst ja eigentlich eine Beziehung zu jemandem, realisierst jetzt aber ein Projekt, bei dem die Suche nach flüchtiger Sexualität völlig überspitzt wird. Was bringt dir das in Bezug auf dein eigentliches Bedürfnis? Ich liebe Schmerzen und das Leiden. Dieses Leiden bringt mich in das Stadium der Katharsis. Das ist superwichtig für die Performance-Kunst.
Wie bist du zur Performance-Kunst gekommen? Zur Kunst bin ich gekommen, als ich in Dresden als Aktmodell gearbeitet habe. Stundenlang stillzustehen verursacht unglaubliche Schmerzen, die ich nur mit meinem Willen bezwingen konnte. Als ich dann auch noch gelesen habe, dass Marina Abramovic bei ihrer berühmten Performance „The Artist is Present“ Ähnliches erlebt hat, nämlich den Zustand der Katharsis durch das Überwinden körperlicher Schmerzen, wurde mir klar, dass ich Performance-Künstler sein möchte.
Du kommst aus Russland und hast dich erst hier in Berlin geoutet. Inwieweit spielt auch der Wunsch, sich sexuell auszuleben, bei dem Projekt eine Rolle? Ich habe natürlich schon viel erlebt seit meinem Coming-out. Jetzt habe ich einen besonderen Fetisch entwickelt. Es reizt mich ungemein, heterosexuelle Männer abzuschleppen. Manchmal stelle ich mich an die Ecke beim Straßenstrich an der Bülowstraße und baggere Männer in den vorbeifahrenden Autos an. Es ist wirklich überraschend, wie viele Männer sich darauf einlassen, obwohl sie gar nicht schwul sind. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es einige Heterojungs, die sich gerne mal ficken lassen würden, aber kein Profil auf den entsprechenden Internetseiten haben. Ich werde dann versuchen, etwas für sie klarzumachen und das wird dann eventuell auch Teil des Projekts.
Interview: Kaey
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