Film

Glaube, Liebe, Lüge: „Im Namen des ..."

11. Mai 2014

Der Gewinner des Siegessäule Reader’s Award Else aus dem Jahr 2013 ist ab 15.05. im Kino zu sehen

Alles, was im letzten Jahrzehnt an Modernisierung in Polen stattgefunden hat, ist an diesem Dorf bislang sichtlich vorübergegangen. Die Straßen sind ungeteert und der Supermarkt mit dem verheißungsvollen Namen „Niagara“ ist ebenso heruntergekommen wie die Wohnhäuser. In diese postsozialistische Provinzhölle – das macht Regisseurin Małgorzata Szumowska („Das bessere Leben“) mit wenigen Kameraeinstellungen klar – geht niemand freiwillig. Adam hat man dorthin strafversetzt, aber er macht das Beste aus dieser Situation. Der bärtige Kerl (Andrzej Chyra) kümmert sich als Priester nicht nur um das Seelenheil der Dorfbewohner, sondern leitet auch eine Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche. Für diesen Haufen testosterongesteuerter Jungs ist er gleichermaßen Respektsperson und Kumpel. Gemeinsam schleppen sie Baumaterial, bolzen über den Fußballplatz und lassen Bier und Joints kreisen.

Adam, so scheint es, hat hier seinen Ort und seine Aufgabe gefunden. Dann aber sieht man ihn bis zur völligen Erschöpfung durch Wiesen und Felder rennen, als wolle er vor sich selbst davonlaufen. Adam kämpft. Die Avancen von Ewa, der Ehefrau eines Kollegen, kann er guten Gewissens mit Verweis auf den Zölibat abweisen. Aber um sein eigenes Begehren in Schach zu halten, muss er sich wie ein Getriebener im Laufschritt durch mannshohe Maisfelder schlagen. Einmal, als auch das nicht reicht, lässt er sich mit Wodka zulaufen, holt ein Papstporträt von der Wand und tanzt mit ihm fluchend durch seine ärmliche Hütte. Diese Strategien der Selbstbetäubung gehen so lange gut, bis er zufällig zwei Zöglinge beim Sex beobachtet und sich kurz darauf in den wortkargen Łukasz (Mateusz Kościukiewicz) verliebt.

Die Premiere von „Im Namen des ...“ platzte mitten hinein in den neu hochgekochten Disput über Missbrauch und Misshandlung durch katholische Priester. Doch Małgorzata Szumowskas Drama als einen Beitrag zu dieser Debatte zu verstehen schlägt fehl. Ihr Film ist vielmehr ein emotional eindrückliches Beispiel dafür, was die erzwungene Unterdrückung sexueller Triebe, also der Zölibat, bei Menschen anrichten kann. Weil Szumowska ihre Geschichte dabei immer sehr nah an ihren von Brüchen, Wunden und Widersprüchen gezeichneten Figuren erzählt und sich dadurch immer neue Spannungen aufladen können, bleibt „Im Namen des ...“ bis zum Ende packend und doch unaufdringlich. Und mit der wortlosen Schlussszene, die nicht von ungefähr an das Schlussbild von „Das Omen“ erinnert, setzt Szumowska einen eindrücklichen kirchenpolitischen Schlusspunkt. Wo in dem Horrorklassiker der Sohn des Teufels seinen Schritt ins Zentrum der Weltmacht mit einem hämischen Grinsen in die Kamera kommentiert, lächelt hier ein frisch geweihter schwuler Priester in seinem neuen Wirkungskreis äußerst ironisch dem Zuschauer zu. Bei der Berlinale war die „Siegessäule“-Leserjury von diesem Film ebenso begeistert wie die Teddy-Jury, sodass die 30-jährige Regisseurin sowohl die Else als auch den Teddy für den besten queeren Spielfilm mit nach Hause nehmen konnte.

Axel Schock

Siegessäule präsentiert: „Im Namen des ...“, 12.05., 22:00, MonGay, Kino International, ab 15.05. im Kino

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