Offener Umgang mit HIV in Partnerschaften und freundschaftlichen Beziehungen
In der heutigen Zeit, in der Liebe und Partnerschaften vielfältiger denn je sind, gewinnt auch der offene Umgang mit HIV in zwischenmenschlichen Beziehungen zunehmend an Bedeutung. Statt sich aus Angst und Scham in Schweigen zu hüllen, tritt die Offenheit mit dem eigenen HIV-Status in den Vordergrund.
Maßgebend für diese positive Entwicklung ist vor allem das Wissen, dass heutzutage auch mit HIV ein gutes und langes Leben möglich ist und das Virus unter erfolgreicher Therapie selbst bei ungeschütztem Sex nicht übertragen werden kann (1, 2). Dass immer mehr Menschen offen mit ihrem HIV-Status umgehen, liegt nicht zuletzt auch an gewachsener Selbstliebe, welche gemeinsam mit offener Kommunikation als zwei wichtige Grundpfeiler von glücklichen Partnerschaften und erfüllenden Beziehungen betrachtet werden können.
Enttabuisierung von HIV
HIV war lange ein Tabuthema, über das man ungern sprach – vor allem nicht mit Fremden, aber häufig auch nicht mit Menschen aus dem nahen Umfeld, wie Freund*innen oder der eigenen Familie. Die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung führte dazu, dass Menschen mit HIV sich sogar vor denjenigen versteckten, die ihnen am nächsten standen. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden und die mentale Gesundheit, sondern konnte auch zu Missverständnissen in der Kommunikation bis hin zum persönlichen Rückzug führen.
Doch die Zeiten haben sich verändert: Eine zunehmende Anzahl von Menschen geht mittlerweile offen mit ihrem HIV-Status um und setzt damit nicht nur ein Zeichen gegen Stigmatisierung und Diskriminierung, sondern auch für einen selbstbewussten Umgang mit HIV. Menschen, die ihren HIV-Status nicht mehr bewusst verheimlichen oder sogar offen teilen, tragen zu einer Kultur des Mitgefühls bei, die das Fundament für gesündere Beziehungen und Freundschaften legt.
Angst vor ungewolltem Outing?
Manche Menschen befürchten, von ihrem sozialen Umfeld ausgeschlossen oder diskriminiert zu werden, wenn ihr positiver HIV-Status bekannt wird. Dies kann zu einem Druck führen, ihre Infektion geheim zu halten. Diese Angst kann mit psychischem Stress verbunden sein, der unter Umständen Schlafstörungen oder gar Depressionen auslösen kann.
Häufig führt die Sorge vor einer ungewollten Offenlegung auch dazu, dass die Medikamente versteckt werden, damit unerwarteter Besuch aus dem Freundeskreis oder der Familie sie nicht sehen kann. Oder aber die leeren Medikamentenverpackungen werden nicht im eigenen Hausmüll, sondern an einer weit von der eigenen Wohnung entfernten Stelle entsorgt, damit die Menschen aus der Nachbarschaft sie nicht entdecken. Dabei könnte ein gutes Wissen um die erfolgreiche Behandlung von und das moderne Leben mit HIV helfen, Vorurteile abzubauen und durch einen offenen Umgang das Verständnis für die Lebenssituation von HIV-positiven Menschen fördern.
Selbstliebe als Grundlage für eine Partnerschaft
Jede Form der Scham, sei es über den eigenen Körper oder andere vermeintliche Schwächen, bedeutet eine Hürde für Beziehungen oder Freundschaften. Wenn die Eigenwahrnehmung negativ ist, fällt es schwer daran zu glauben, dass ein anderer Mensch einen liebenswert findet.
Daher hat auch Scham über den HIV-Status Auswirkungen auf die Partnersuche. Die Angst vor Ablehnung führt dazu, dass Menschen mit HIV sich aus Beziehungen zurückziehen, bevor diese überhaupt eine Chance haben, sich zu entwickeln. Sich auch mit HIV selbst akzeptieren und lieben zu können, erleichtert den Weg zu einer glücklichen Partnerschaft, in der man auch offen die eigene Geschichte teilen kann.
Selbstliebe bedeutet, sich auch mit HIV als wertvoll anzuerkennen. Diese innere Stärke ermöglicht es, sich nicht von anderen durch ein Virus definieren zu lassen, sondern als ganzer Mensch mit all den unterschiedlichen Facetten, die einen ausmachen, in eine Partnerschaft einzutreten und auch so wahrgenommen zu werden.
Eine Beziehung bedeutet auch, gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen. Arztbesuche können bei HIV-positiven Menschen Stress auslösen, wenn sie sich darum sorgen, wie sich die Blutwerte gerade darstellen. Dieser Stress kann in Gereiztheit münden, die von Partner*innen besser verstanden wird, wenn er/sie von dem Arztbesuch weiß. Der/die Partner*in ohne HIV benötigt ebenfalls Selbstliebe, um stark genug zu sein, die eigenen Gefühle zu kommunizieren. Empathie, Geduld und das Streben nach gegenseitigem Wachstum führen zu einer Beziehung, die auf Vertrauen beruht.
Offene Kommunikation
Ehrlichkeit im Umgang mit dem HIV-Status erfordert eine zielgerichtete Kommunikation. Das bedeutet, über Ängste und Bedenken zu sprechen. Offene Gespräche ermöglichen es beiden Seiten, Missverständnisse zu vermeiden. Der Austausch über die medizinische Behandlung und die psychische Verfassung sind hilfreich, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Die Bereitschaft für einen offenen Umgang mit HIV liegt nicht nur in den Händen von Menschen mit HIV, sondern hängt auch maßgeblich vom gesellschaftlichen Umfeld ab. In einer Gesellschaft, in der eine HIV-Infektion nicht mehr als Grund für Diskriminierung und Stigmatisierung herangezogen wird, schaffen wir ein Umfeld, in dem sich Menschen mit HIV nicht mehr verstecken müssen. Offenheit im persönlichen Umfeld kann auch andere Menschen dazu ermutigen, ebenfalls ihre Geschichten zu teilen und somit eine Kette der Unterstützung zu schaffen.
Eine neue Ära der Beziehungen
Der offene Umgang mit HIV in Partnerschaften und Freundschaften markiert eine neue Ära der Beziehungen, in der Selbstliebe und Kommunikation noch wichtiger werden. Indem wir unsere eigenen Ängste überwinden und uns selbst akzeptieren, legen wir den Grundstein für tiefe und erfüllende Verbindungen mit anderen Menschen – egal ob in Form von Freundschaften, Partnerschaften oder allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Weitere Informationen zum Leben mit HIV sowie persönliche Geschichten von HIV-positiven Menschen findest du unter
www.livlife.de
Referenzen:
(1) Eisinger et al., HIV Viral Load and Transmissibility of HIV Infection – Undetectable Equals Untransmittable, JAMA February 5, 2019 Volume 321, Number 5 (Reprinted), 451–452.
(2) European AIDS Clinical Society Guidelines, Version 12.0, Stand October 2023.
NP-DE-HVU-ADVR-230023