The XX-Sängerin im Interview

Romy: „Ich singe zum ersten Mal über die Beziehung zu einer Frau"

25. Sept. 2023 Christina Mohr
Bild: Vic Lentaigne

Die lesbische Musikerin Romy Madley Croft kennt man vor allem als Sängerin und Gitarristin der Londoner Band The XX. Nachdem ihre Bandkollegen Jamie „XX“ Smith und Oliver Sim erfolgreiche Soloprojekte starteten, veröffentlicht nun auch Romy ihr erstes Soloalbum: „Mid Air“ heißt es und erscheint im September. SIEGESSÄULE-Autorin Christina Mohr sprach mit der Künstlerin

Du bist vor Kurzem beim Coachella-Festival aufgetreten. Wie war das für dich? Das war eine fantastische Erfahrung! Ich hatte zunächst große Bedenken, schließlich bin ich zum ersten Mal als Solosängerin vor einer Menschenmenge aufgetreten, und das auch noch im hellen Tageslicht. (lacht) Ich musste mich echt überwinden, aus mir herauszugehen. Aber als ich dann gemerkt habe, dass alle tanzen und mitsingen, war ich superglücklich.

Dein Album ist sehr uplifting und tanzbar – Musik und Image deiner Band The XX waren sehr introvertiert. Hättest du dir damals vorstellen können, Solo Artist zu sein? Nein, sicher nicht. Solo zu spielen ist eine Sache, in die wir alle hineingewachsen sind. Wir haben unsere Schüchternheit nach und nach durch häufiges Live-Auftreten abgelegt. Als dann Jamie XX als Erster ein Soloprojekt startete, etwas später Oliver, dachte ich: „Oh, das kann ich vielleicht auch.“ Das ist wohl eine Begleiterscheinung des Älterwerdens. (lacht)

Oliver Sim und du seid inzwischen Role Models für queere Kids – wie stehst du dazu? Das ist wundervoll, und auch das kam mit der Zeit. Als Jugendliche war ich introvertiert, trug immer schwarze Sachen und wollte mich am liebsten verstecken. Mein einziger Vertrauter damals war Oliver, wir haben uns schon immer alles erzählt. Wir kennen uns, seitdem wir drei Jahre alt sind, wir sind zusammen in den Kindergarten und zur Schule gegangen, er ist mein ältester und bester Freund. Dass wir mal Vorbilder für andere sein könnten, hätten wir früher nie für möglich gehalten

Viele deiner Songs beziehen sich durch Sound und Samples auf den Synthiepop der Achtziger, auf Hits wie z. B. „Small Town Boy“ – also auf eine Zeit, in der du noch nicht geboren warst. Warum ist dir diese Musik so wichtig? Meine Eltern haben sehr viel Musik gehört, „Small Town Boy“ habe ich ganz sicher zu Hause zum ersten Mal gehört. Die Musik der Achtziger und Neunziger lief aber auch später in den Clubs, in die ich mit Oliver ging – davon ist definitiv etwas hängen geblieben, und ich verbinde auch die Phase meines persönlichen Coming-outs mit dieser Musik. Die Songs der Achtziger sind also garantiert keine „guilty pleasures“ für mich. Ich wollte dieser Musik ein Denkmal setzen, weil sie euphorisch und traurig zugleich ist: „Dancing With Tears In My Eyes“ sozusagen. Als Bronski Beat 1984 „Small Town Boy“ herausbrachten, war das ein Skandal – ich hoffe ja, dass das Publikum heutzutage etwas offener ist. Je offener, desto besser, das ist meine feste Überzeugung.

Welches Stück vom neuen Album bedeutet dir am meisten? Natürlich liegen mir alle Songs am Herzen, aber „Loveher“ ist der wichtigste für mich. Es war der erste Song, den ich für das Album aufgenommen habe, nachdem Fred Again mich davon überzeugt hatte, dass ich das Stück nicht an andere weitergeben sollte. In dem Lied ergreife ich zum ersten Mal die Gelegenheit, explizit über die Beziehung zu einer Frau zu singen.

Deine Texte sind teilweise sehr offen („I wish she was under me“), dann wieder sehr zurückhaltend („some things are for us“) ... Ich möchte verschiedene Emotionen ausdrücken, vom Gefühl, sexy zu sein, bis zum Wunsch nach Privatheit. Ich bin froh darüber, dass ich inzwischen ganz offen mein Begehren einer weiblichen Person gegenüber ausdrücken kann. Die Pronomen in Olivers und meinen Texten für The XX waren immer bewusst neutral gehalten. Wir wählten Wörter wie „wir“, „ich“ oder „sie“, weil die Songs Gemeinschaftsarbeiten waren und von uns allen gesungen werden sollten. Die Songs auf „Mid Air“ sind mein eigenes Ding.

Hattest du schon Gelegenheit, das Berliner Clubleben kennenzulernen? Bisher noch nicht. Ich erinnere mich an tolle Konzerte von The XX in Berlin, im Admiralspalast zum Beispiel oder beim Lollapalooza, doch zum Tanzen in den Clubs waren wir nicht. Aber ich habe schon viel vom Berghain gehört, dort will ich unbedingt mal hin!

Folge uns auf Instagram

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.