Ab 28.03. im Kino

„Liuben“ – erster schwuler Film aus Bulgarien

28. März 2024 Paula Balov
Bild: DCM / BERND SPAUKE
David de Gea (li.) in der Rolle von Víctor und Bojidar Iankov Asenov (re.) als Liuben

Mit seinem Debütspielfilm „Liuben“, der in einem bulgarischen Bergdorf spielt, beleuchtet der Regisseur Venci D. Kostov die Situation von Rom*nja in dem südosteuropäischen Land

„Liuben“ ist der erste LGBTIQ*-Film aus Bulgarien – umso erfrischender ist es, dass er keine typische Coming-out-Geschichte erzählt. Regisseur Venci D. Kostov ergründet in seinem Spielfilmdebüt die Sommerromanze zwischen zwei jungen Männern aus verschiedenen Welten: Víctor lebt offen schwul in Madrid mit seinem Freund José. Als Víctors Großvater stirbt, kehrt er für die Beerdigung in sein Heimatdorf in Bulgarien zurück und verbringt dort den Sommer. Er verliebt sich in den 18-jährigen Liuben. Dieser ist ein Rom, der in prekären Verhältnissen lebt und sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Er wird bald Vater werden und träumt davon, eines Tages in Deutschland einen Friseursalon aufzumachen. „Liuben“ ist übrigens nicht nur ein Vorname, sondern bedeutet auf Bulgarisch auch „der Geliebte“.

Mit dem Setting in einem bulgarischen Bergdorf, in dem die Menschen genau darauf achten, was die Nachbar*innen tun, wäre es naheliegend gewesen, eine Geschichte über Homophobie und schwule Selbstfindung zu erzählen. Doch Venci D. Kostov hat einen interessanteren Weg gewählt. Dazu inspiriert hat ihn unter anderem der kanadische Regisseur Xavier Dolan, der in seinen Filmen Homosexualität thematisiert, ohne sie zum Hauptkonflikt zu machen.

So beleuchtet der Film neben der zentralen Liebesgeschichte auch, im Fall von Víctor, die Geschichte eines Migranten, der sich zwischen den Stühlen befindet – zwischen der Weltmetropole Madrid und seinem konservativen bulgarischen Heimatdorf. Das hat auch autobiografische Züge: Kostov lebte bis zu seinem zwölften Lebensjahr in Bulgarien und zog dann mit seinen Eltern nach Spanien.

„Es ist nicht die Homophobie, die bald zum größten Problem der beiden Geliebten wird, sondern der Antiromaismus.“

Liuben zieht Víctor damit auf, dass er nicht in Bulgarien lebt, und nennt ihn bei jeder Zufallsbegegnung „Fremder“. Doch schnell finden die beiden Gefallen aneinander. Trotz seiner hochschwangeren Freundin scheint Liuben mit seinem Begehren für Männer im Reinen zu sein. Er hinterfragt weder seine Zuneigung zu Víctor noch seine sexuelle Orientierung. So ist es nicht die Homophobie, die bald zum größten Problem der beiden Geliebten wird, sondern der Antiromaismus. Während der Film die queerfeindlichen Ressentiments der Dorfbewohner*innen oder in Víctors Familie nur andeutet oder als unterschwellig porträtiert, ist die rassistische Ausgrenzung von Liuben und anderen Rom*nja omnipräsent und gewaltvoll. Víctor wird dafür verspottet, dass er sich mit einem Rom abgibt oder Liuben dabei helfen will, einen Job zu finden. Ist „Liuben“ ein Film über eine schwule Liebe oder über Rassismus?

Im Interview für die 3sat-Doku „Queer Balkan“ (2021) sagte Azis, der berühmteste queere bulgarische Popstar: „Es ist in Bulgarien inzwischen einfacher zu sagen, ‚Ich bin schwul‘ als ‚Ich bin Rom’.“

Weder Romantisierung noch Klischees

Venci D. Kostov nähert sich mit „Liuben“ dieser Lebensrealität an, ohne ins Didaktische abzugleiten oder eine Geschichte über einen „White Saviour“ zu erzählen. Er stellt das Leben der Rom*nja nuanciert dar und verzichtet auf Romantisierung und Klischees, wie sie beispielsweise bei Emir Kusturica üblich sind. Insgesamt sind die Bildsprache und der Ton im Kontrast zu den ernsten Themen, die der Film behandelt, erstaunlich nüchtern und unaufgeregt. Vor allem Bojidar Iankov Asenov, der kein ausgebildeter Schauspieler ist, überzeugt in seiner Debütrolle als Liuben.

Das Ergebnis ist eine ambivalente Geschichte ohne eindeutige Pointe – das ist auch gewollt. Im Interview mit der baskischen Zeitung Deia sagte Kostov: „Es gefällt mir sehr gut, dass alle Zuschauer einen anderen Film sehen.“ „Liuben“ ist aber mehr als nur eine tragische Liebesgeschichte über zwei Männer aus unterschiedlichen Milieus. Das Spielfilmdebüt von Kostov ist ein gelungenes Gesellschaftspanorama über Rassismus, postmigrantische Identität, Machismo, Armut und Gewalt.

Liuben,
Bulgarien/Spanien, 2023,
Regie: Venci D. Kostov.
Mit: Bojidar Iankov Asenov, David de Gea, Dimitar Banenkin u. a.
Ab 28.03. im Kino

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