Bedroom-Pop mit Soul

Glamourös angepisst: Joesef im Interview

13. Jan. 2023 Julian Beyer
Bild: Martin McCready

Am 13. Januar erschien das Debütalbum des schottischen Sängers Joesef. In „Permanent Damage“ verarbeitet der charmante Musiker eine zerbrochene Beziehung und die Folgen, die das Ende einer Liebe mit sich bringt. Dies tut er in einem eklektischen Mix aus minimalistischen Balladen und Dancepop-Songs. Wir trafen Joesef in Berlin zum Interview

Joesef, wie hast du den Einstieg in das Musikbusiness gefunden? Ich bin nicht wirklich mit dem Wunsch aufgewachsen, Musiker zu werden. Das Leben eines Popstars erschien damals zu weit weg von meiner Realität. Ich bin im East End in Glasgow groß geworden, einer eher ärmlichen Sozialbauten-Gegend. Ich wagte es daher gar nicht, von einer Bühnenkarriere zu träumen. Stattdessen arbeitete ich etwas unmotiviert in einer Bar und begann Musiktechnik zu studieren. Dort fand ich in einem Mitstudenten meinen heutigen Manager. Es passierte also alles eher zufällig. Ich bin sehr froh, dass es so kam, da ich Musik liebe. Ich liebe es zu singen, ich liebe es zu schreiben, und ich bin auf jeden Fall lieber als Musiker unterwegs, als weiterhin in einer Bar zu arbeiten (lacht).

„Ich habe meine zerbrochene Beziehung aufgearbeitet und gemerkt, wie sehr sie mich verändert hat."

Dein Debütalbum „Permanent Damage“ wird am 13. Januar veröffentlicht. Der rote Faden der Platte ist Herzschmerz. Wie war die Produktion des Albums für dich? Die Produktion war fucking hard, man! Ich hatte viel Spaß, aber ich war auch in einem bad place, als ich die Songs geschrieben und aufgenommen habe. Am Ende dachte ich, ich würde sterben. (lacht) Während der Produktion war ich raus aus der Beziehung, aber zugleich irgendwie noch drin. Die Arbeit an dem Album gab mir viel Klarheit in meinem Leben. Ich habe meine zerbrochene Beziehung aufgearbeitet und gemerkt, wie sehr sie mich verändert hat. Es war eine sehr abgefuckte Zeit, aber ich bin drüber hinweg. Dass ich mal ein fertiges Album von mir in der Hand halten würde, hätte ich niemals gedacht. Ich bin sehr stolz auf die Platte und die Produktion war ein sehr formatives Erlebnis.

Wie kamst du auf den Titel „Permanent Damage“? Das Album hieß für eine recht lange Zeit anders. Dann sah ich die Worte „permanent damage“ auf einer Zigarettenpackung. Es passte zu den Themen des Albums und dazu, wie ich mich unwiderruflich verändert habe, aufgrund der vergangenen Beziehung und wie sie mich fertig gemacht hat. Ich mag zudem den Klang der beiden Worte zusammen. Er kreiert ein wohliges Gefühl in meinem Hirn.

Die Lyrics sind entsprechend durchgängig eher melancholisch, die Songs hingegen rangieren von minimalistischen Balladen bis hin zu Dancepop-Hymnen. Wie kam diese Bandbreite zustande? Ich glaube, für meine eigene mentale Gesundheit war es essenziell, auch Songs zu haben, die gute Laune machen und hoffnungsvoll sind. Ich wuchs unter anderem mit Motown auf. In diesem Genre singen glamouröse Frauen tanzend darüber, wie sehr sie ein Mann angepisst hat. Ich mochte schon immer herzzerreißende Texte zu tanzbaren Beats. Ich habe von Anfang an versucht, diesen Aspekt in meine Musik zu integrieren, da ich es sonst zu deprimierend finden würde.

„Wenn man auch nur ansatzweise dem gängigen Männlichkeitsbild widersprach, hat man eine aufs Maul bekommen."

Du gehst offen mit deiner Queerness um. Hast du jemals überlegt, dich diesbezüglich zurückzuhalten? Meine Musik war nie explizit oder exklusiv über die Liebe zu einem Jungen. Sie handelt von Liebe und Herzschmerz. Und diese Gefühle diskriminieren nicht. Sie können jede und jeden erwischen. Ich bin in einer hypermaskulinen Umgebung aufgewachsen. Wenn man auch nur ansatzweise dem gängigen Männlichkeitsbild widersprach, hat man eine aufs Maul bekommen. Es hat mich Jahre gekostet, diese Sozialisierung abzulegen und zu mir zu stehen. In Bezug auf meine Musik gibt es ein Level an Ehrlichkeit, das für mich enorm wichtig ist. Ich könnte nicht hinter meinen Songs stehen, wenn sie nicht authentisch wären. Ich möchte, dass meine Hörer*innen wissen, dass ich von wahren Erlebnissen singe. Ich bin sehr glücklich, dass ich in einer Zeit lebe, in der meine sexuelle Orientierung zweitrangig ist.

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