„Frau Luna“ im Tipi: Glitzerinferno des Jahrhunderts
Die Berlin-Operette bekommt mächtig frischen Wind und viel Glitzer: „Frau Luna“ begeisterte gestern das Premierenpublikum
Es dauert ziemlich genau ein Lied und das Publikum bricht bereits in Begeisterungsstürme aus. Keine 10 Minuten des Stücks sind vergangen, bis Christoph Marti als resolute Frau Pusebach ihren verflossenen Geliebten Theophil besingt, da wackelt das Tipi schon gewaltig. Und das Verrückte daran ist, das Ganze steigert sich immer weiter.
Im übervollen Tipi versammelte sich gestern die Crème de la Crème Berlins um bei DER Premiere des Jahres dabei zu sein. Mit „Frau Luna“ – und das war fast schon vorher klar – ist dem Team von Tipi und Bar Jeder Vernunft ein ganz großer Wurf gelungen. Die Berlin-Operette schlechthin – Paul Linckes 1899 erstmals aufgeführtes Werk über eine Gruppe von Berliner Kieznachbarn, die auf den Mond fliegen wollen – wird dank großartiger und ebenso berlintypischer Besetzung zum echten Hit. Kleinkunststars wie die Geschwister Pfister, Pigor und Eichhorn, Anna Mateur, Cora Frost, Gustav Peter Wöhler, Gert Thumser, Ades Zabel und viele, viele mehr machen die Operette zu etwas, was es wahrscheinlich nie gewesen ist. Mit Liebe zum Detail und großartigem Humor trifft das Ensemble auch dank fabelhafter Regieeinfälle von Bernd Mottl immer wieder den Nagel auf den Kopf. Dazu mitreißende und kraftvolle Choreografien von Christopher Tölle zur flirrenden und wunderbaren von Jo Roloff aufgelockerten Musik. Cora Frost führt uns mit dem großartig gesungenen „Glühwürmchenidyll“ (eigentlich aus Linckes Oper „Lysistrata“) „dem Glück entgegen“ und „Die Berliner Luft“ wird auch dank einfallsreicher Choreografie zum Superhit. Das Gesamtpaket stimmt einfach.
Glitzer mit Glitzer bestreut – so lässt sich das Bühnenbild aber auch die Stimmung des Stücks wohl am besten beschreiben. Benedikt Eichhorn gibt den träumerischen, aber handlungsstarken Fritz Steppke, der das Stratosphärenmobil erfindet, um damit zum Mond zu fliegen. Mit ihm kommt sein Bühnenkollege Thomas Pigor, der den ewig dichtenden Schneider Lämmermeier gibt und dabei so überzeugend wie komisch ist. Mit von der Partie ist auch der etwas unbeholfende Verlobte von Frau Pusebach – gespielt von Max Gertsch. Und weil die Pusebach ihn nicht auf den Mond lassen will, landet sie auch noch mit auf dem Himmelskörper, nicht ahnend, dass dort ihr geliebter Theophil (gespielt von Tobias Bonn) als Haushofmeister des Mondes tätig ist. Er hat sich vor allem aus finanziellen Gründen mit der Zofe Stella zusammengetan. Anna Mateur nutzt diese Rolle gekonnt, wechselt zwischen Slapstick und sexy Vamp und wird dafür zu Recht gefeiert. Ades Zabel als widerwillig dienendes Fräulein Mondgroom, Gustav Peter Wöhler als ewig in Frau Luna verliebter Prinz Sternschnuppe, Gert Thumser als Mars und Cora Frost als Venus komplettieren das Gefolge der Mondgöttin. Die wiederum setzt in Gestalt von Andreja Schneider dem Stück die Glitzerkrone auf. Fast gelingt es ihr Fritz Steppke zu verführen, der sich dann in letzter Sekunde doch für seine Marie (Sharon Brauner als echte Berliner Göre) entscheidet. Mit einer ebenso erotischen wie satirischen Anmut, wie sie nur Andreja Schneider kann, wird das Stück zu dem was es ist: überdrehter Trash, professionell vorgetragen. So geht Unterhaltung! Oder auch: „So jeht dit, mit die Untahaltung!“
Christina Reinthal
SIEGESSÄULE präsentiert:
„Frau Luna“, u. a. mit Andreja Schneider, Anna Mateur, Gustav Peter Wöhler, Tobias Bonn, Christoph Marti, Sharon Brauner, Benedikt Eichhorn, Thomas Pigor, Max Gertsch, Cora Frost, Gert Thumser, Ades Zabel, Fausto Israel, 27.10.–29.01., Tipi
Fotos von der Premiere und der SIEGESSÄULE Preview von „Frau Luna“ gibt es in unsere Galerie
Folge uns auf Instagram