Frauen*kampftag

Keine falschen Bündnisse

7. März 2016
Tülin am Kotti © Hassan

Am 8. März ist Frauentag und zum ersten Mal laden diverse Kreuzberger Projekte und Einzelpersonen zu einer Demo abseits der großen Frauentagsdemonstration ein. Im Anschluss steigen im Südblock und in der Möbel Olfe fette Partys: im Südblock mit einer Gala, gehostet von Melon Rouge inklusive Sex-positive-Lounge von Other Nature und Cunt Lab, in der Olfe mit unglaublichen 105 verschiedenen DJs. Ein „queerfeministisches Potpourri emanzipatorischer Kleinkunst“, verspricht die Pressemitteilung. Barhopping erwünscht. Wir sprachen mit Tülin Duman vom Orga-Team

Tülin, welche Relevanz hat der Frauentag für dich? Für mich hat er nach wie vor eine große Bedeutung. Die Emanzipation der Frauen dauert immer noch an. Unsere Gesellschaften sind männerdominiert, wir sind nicht gleichberechtigt und deswegen ist dieser Tag sehr wichtig. Für mich ist er vergleichbar mit dem CSD.

Nach den Silvester-Übergriffen von Köln schreiben sich jetzt Leute Frauenrechte auf die Fahnen und empören sich über sexuelle Übergriffe, die das vorher nicht getan haben. Wie verlogen ist das? Eine solche Instrumentalisierung kennen wir mittlerweile. In Deutschland gab es ja in der jüngeren Vergangenheit auch rechte Kräfte, die sich plötzlich für Homorechte eingesetzt haben. So ähnlich finde ich jetzt auch diese Debatte rund um Köln. Die ist selbstverständlich sehr verlogen. Es gab keinen Zeitpunkt in den letzten Jahren, wo die breite Öffentlichkeit positiv über Feminismus oder Frauenrechte gesprochen hätte. Ganz im Gegenteil. Wer über Feminismus und Frauenrechte geredet hat, wurde diffamiert.

Nach Köln gab es plötzlich Zuspruch von der falschen Seite. Ich spitze mal zu: Einige Leute, die jetzt auf Frauenrechte pochen, gehen sonst gegen sogenannte Ausländer und Flüchtlinge auf die Straße. Und sagen plötzlich: Emanzipation ist uns wichtig. Man möchte einfach nur am laufenden Band erwidern: „Nicht in meinem Namen!“ Ich sage das als Frau, die in Deutschland lebt. Wenn ich in dieser Gesellschaft sexistisch behandelt werde, belästigt werde, dann ist das ganz egal, von welchem Mann oder welcher männlichen Struktur das kommt. Ob das in der Gesellschaft verankerte Mittelschichtmänner sind oder statuslose Männer, die auf Flucht sind. Es ist immer schlimm! Wir müssen jetzt aufpassen, mit wem wir Bündnisse schließen. Ich als Frau stelle mich nicht mit Rechten in eine Reihe. Ich suche keinen Schulterschluss mit Menschen, die andere Menschen diskriminieren. Da ist mir ganz egal, ob diese Leute auf einmal Frauenrechtler werden oder Homorechtler oder sonst was. Das kommt für mich einfach nicht infrage.

Ihr organisiert zum ersten Mal eine Frauentagsdemo in Kreuzberg. Wo genau verläuft die Route? Die Route steht noch nicht ganz fest. Aber es wird sich rund ums Kotti abspielen.

In letzter Zeit häufen sich Beiträge in schwulen Medien und sozialen Netzwerken, die aufgrund von teilweise nicht belegten homophoben Übergriffen das Kotti mal wieder zur No-go-Area erklären. Du bist eine lesbische Frau, die am Kottbusser Tor lebt und arbeitet. Wie siehst du das? Was in letzter Zeit vermehrt passiert, sind Raubüberfälle, die natürlich auf unterschiedliche Art und Weise gelesen werden können. Wenn schwule Männer oder lesbische Frauen überfallen und abgezockt werden, dann ist das schlimm, aber nicht unbedingt ein homo- oder trans*phober Übergriff. Wir leben in einer Zeit, wo viele Menschen auf der Flucht sind, in die Obdachlosigkeit gezwungen werden und viele geflüchtete Minderjährige ohne Familie unterwegs sind. Das Straßenbild hat sich verändert und wird sich noch weiter verändern. Die Armut wächst rasant und damit auch die sozialen Probleme. Es bringt da nichts, eine Gegend einfach als gefährlich abzustempeln. Man muss an Ausgehorten und Verkehrsknotenpunkten generell aufpassen, in allen Metropolen dieser Welt. Ich sage nicht, dass es am Kotti keine Homophobie, keine Trans*phobie, keinen Sexismus und keinen Rassismus gibt. Es war immer schon ein Ort, an dem viele Lebensrealitäten aufeinanderprallen und Reibung entsteht. Wenn ich hier lebe und arbeite, dann setze ich mich dem aus. Ich muss damit umgehen, mich einbringen und kann mich nicht ständig empören oder nach Staatsgewalt und Polizeipräsenz schreien.

Interview: Jan Noll

Frauen*kampftag, 08.03., 20:30, Möbel Olfe und Südblock

Kreuzberger Demo zum Frauen*kampftag, 08.03., 18:00, Kottbusser Tor

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