Valentinstag

Liebe für Alle!

14. Feb. 2016

Zum Valentinstag haben wir Jule und Anni, die kreativen Köpfe hinter dem Dating Blog „im gegenteil“, in Kreuzberg besucht

Vor zwei Jahren kamen Jule und Anni auf die Idee, eine Internet Dating-Plattform ins Leben zu rufen. Jule war damals Single und probierte einige Portale aus, um einen passenden Mann zu finden. Das Ergebnis: Frustration. Die Selbstdarstellung der angemeldeten Singles wirkte oft unauthentisch und bei vielen Plattformen musste man bezahlen. Bei einem alkoholischen Getränk mit ihrer Freundin Anni sinnierte sie darüber, was man besser machen könnte. Es blieb nicht bei einer Schnapsidee, sondern wurde schnell Realität. Seit über zwei Jahren existiert die Seite im gegenteil bereits. Das Besondere: Jule und Anni (oder eines ihrer Teams) gehen zu den jeweiligen Singles nach Hause und porträtieren sie. Jule macht Fotos, während Anni mit den Leuten spricht und hinterher einen kleinen Text verfasst, der die Singles beschreibt. Mittlerweile ist im gegenteil nicht nur eine Single-Börse sondern eine Art Magazin mit Texten, Kolumnen, Fotostrecken. SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey hat die beiden in Kreuzberg besucht.

Seit dem letztem Jahr sind sie Teil von Blogfabrik, einem Kollektiv kreativer Menschen, die gemeinsam in einer Fabriketage in der Oranienstraße neben dem SO 36 arbeiten. Alle, die dort sind, steuern Inhalte zum hauseigenen Blog bei und müssen dadurch keine Raummiete zahlen.

Was ist der Vorteil, wenn man von einer anderen Person porträtiert wird und sich nicht selbst beschreibt?

Anni: Alles. Ich persönlich finde es schwer, über mich zu schreiben. Im Besonderen über meine eigenen Vorzüge, weil das dann leicht eingebildet rüber kommt. Oder vielleicht habe ich Vorzüge, die ich selbst gar nicht mehr sehe. Wir als Außenstehende bekommen das dann aber bei den Menschen, die wir porträtieren, besser mit und feiern die Singles dann gerne auch mal ab.

Jule: Wenn man sich die Fotos auf anderen Dating-Plattformen anschaut, dann sind das entweder irgendwelche professionellen Studioproduktionen in Anzug und Krawatte, oder schlimme Selfies und alte Urlaubsfotos. Dadurch dass wir zwei bis drei Stunden mit den Leuten verbringen und ich sie im Gespräch fotografiere, bekommt man doch einen viel natürlicheren Eindruck, den man mit der Kamera festhalten kann. Wir wollen Posing bewusst vermeiden.

Anni: Es kommt vor allem bei Mädchen relativ häufig vor, dass sie sich nur von rechts fotografieren lassen wollen, weil das ihre angebliche Schokoladenseite ist. Jule fotografiert sie aber aus allen Richtungen, denn im realen Leben, wenn man sich trifft, sieht man sich ja auch von allen Seiten.

Wonach sucht ihr die Leute aus, die auf eurer Webseite landen?

Jule: Wir haben mittlerweile mehrere Teams in verschiedenen Städten, die Leute für uns porträtieren. Grundvoraussetzung ist, dass die Personen, die sich bewerben, auch in diesen Städten leben. Außerdem haben wir natürlich gemerkt, dass wir eine bestimmte Leserschaft haben und wir uns da auch alterstechnisch bewegen. Es gibt viele Anfragen, warum wir niemanden um die 45 porträtieren. Doch wir wollen ja dann auch, dass die Person später angeschrieben wird, und wir haben eine gewisse Zielgruppe, in der wir uns bewegen.

Die Webseite gibt es seit zwei Jahren und nach wie vor ist euer Service kostenfrei. Macht ihr das alles nur im Auftrag der Liebe?

Jule: Es klingt im ersten Moment bescheuert. Aber wir wollten nie sein wie andere Dating-Portale, die mit Abonnements Geld verdienen. Wir finden Liebe ist etwas, das jeder verdient und jeder sollte dazu Zugang haben. Deshalb war es für uns immer ein Grundsatz, dass wir dafür kein Geld verlangen.

Anni: Wir haben uns auch geschworen, dass wir das nie ändern werden. Selbst wenn sich 10.000 Leute bewerben.

Jule: Es gibt die Möglichkeit für die Porträtierten, die Fotos nach dem Shooting für einen Unkostenbeitrag in Druckqualität zu bekommen. Das ist aber freiwillig und auch hauptsächlich, um die Teams in den anderen Städten ein bisschen zu unterstützen.

Auf eurer Seite sind nicht nur Hetero-Singles sondern auch Schwule, Lesben und Bisexuelle. Es fällt aber auf, dass es unglaublich wenige Lesben im Vergleich zu den Schwulen sind. Woran liegt das?

Anni: Wir bekommen tatsächlich kaum Bewerbungen. Wenn wir also mehr Lesben hätten, die sich bewerben, hätten wir auch mehr Lesben auf der Seite. Punkt!

Jule: Ich finde, dass die Lesben weniger laut sind. Die sind weniger da. Was schade ist.

Auf eurer Webseite findet man auch ein Videoporträt von einem schwulen Mann, der HIV positiv ist und über seinen Umgang damit erzählt. Außerdem setzt sich Jule sehr aktiv am Lageso ein. Seid ihr politische Menschen?

Jule: Eigentlich gar nicht. Es gibt einfach Themen, die interessieren uns als Menschen, und wir haben Werte, die wir natürlich gerne nach außen tragen. Uns ist es wichtig, dass die Sachen, an die wir glauben, auch auf der Webseite vorkommen können. Wir haben uns gefragt, ob das Thema Geflüchtete auf einer Seite, auf der es in erster Linie um Liebe geht, stattfinden soll. Und ja, wir fanden, das kann es durchaus.

Bekommt ihr denn auch negative Reaktionen?

Jule: Beim Thema Geflüchtete habe ich am ehesten damit gerechnet, dass blöde Kommentare auf Facebook kommen. Aber das ist gar nicht passiert.

Anni: Leider haben zwei unserer schwulen Singles kürzlich Mails bekommen, die sich weit unter der Gürtellinie bewegen. Es gab Beleidigungen und Bedrohungen. Für uns als Betreiberinnen ist ganz klar: wir gehen zur Polizei und zeigen das an. Wir haben eine IP-Adresse, mit der man die Herkunft der Mails nachverfolgen kann. Jeder, der denkt, er sei anonym im Internet, vergisst, dass es auch so was wie IP-Adressen-Tracking gibt. Wir sind uns da ganz einig, dass wir uns immer für die Rechte der Menschen einsetzen werden. Wir geben keinen Raum für Beleidigungen und schon gar nicht aufgrund von sexueller Orientierung.

http://imgegenteil.de

http://blogfabrik.de

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