Kunstaktion

Russland wird heterosexuell!

5. Dez. 2015
Bekehrpakete © Martin Binder

Was lässt sich der zunehmenden Homophobie in Russland, zu deren Auswüchsen das „Anti-Homo-Propaganda“-Gesetz gehört, entgegensetzen? Ironie heißt die Antwort des Künstlers Martin Binder, der unter anderem auch an den Entwürfen des für 2016 geplanten Denkmals für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung beteiligt war. Sein Performanceprojekt „Bekehrpakete“ startete gestern Abend im Rahmen der Gruppenausstellung „Leopardisointing“ mit einer Vernissage im Acud. In einem Ausstellungsraum können Besucher und Besucherinnen selbst mitgebrachte Gegenstände in leere Pakete packen, die Russland helfen sollen, Homosexualität zu eliminieren. Zur Inspiration hängen fertige Packempfehlungen gerahmt an den Wänden. So wird man aufgefordert „Ratgeber zu den Themen Heimwerken, Reparieren, Angeln oder Jagen“ zu verschicken, die dem „Erlernen typisch männlicher, nicht-weiblicher Tätigkeiten“ dienen. Eine andere Empfehlung lautet: „Potenzsteigernde Mittel helfen bei schwächelnder Standfestigkeit dem anderen Geschlecht gegenüber. So einfach kann traditionell geliebt werden; Nicht-Können ist keine Ausrede.“ Die Packstation ist vom 05. bis zum 13. Dezember täglich von 12:00 bis 18:00 geöffnet. Auch Martin wird während der Dauer der Ausstellung immer wieder vor Ort sein, um zu Anschauungszwecken Pakete zu packen.

Die Idee zu dem Kunstprojekt geht auf Erfahrungen zurück, die Martin vor fünf Jahren während eines halbjährigen Studienaufenthalts in St. Petersburg sammelte: „Damals bin ich mit meinem Freund, der mich dort besuchte, Hand in Hand gelaufen. Was mir normal erschien, erzeugte heftige Reaktionen von Passanten – größenteils Beschimpfungen oder Kopfschütteln. Egal war es jedenfalls kaum jemandem. Diese Erfahrung hat mich nachhaltig erschüttert. Das sich verhärtende Feindbild der Homosexuellen ist in weiten Teilen der russischen Bevölkerung verankert. Mein Eindruck ist, dass durch Argumentieren und Reden derzeit nichts zu bewegen ist. ,Bekehrpakete‘ ist eine Reaktion darauf – die Formulierung einer Gegenposition. Das Projekt soll auf Missstände aufmerksam machen und dazu animieren, sich in die Position homophober Personen zu versetzen“, erzählt er gegenüber SIEGESSÄULE.DE. Was denken also Personen wie Vitali Milonow, Autor des Gesetzes gegen die „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen“, oder der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.? Wie kann man sie in ihren Bemühungen, gegen Homosexualität vorzugehen, unterstützen?

Die Pakete werden allerdings erst einmal nicht verschickt. Im Zentrum des nicht ganz ernstgemeinten Projektes steht das Sammeln von Objekten. Für Martin ist die Frage entscheidend, auf welche Gedanken die BesucherInnen kommen, wenn sie der Aufforderung „Helft Russland, hetero zu werden!“ folgen. Zumindest gibt es die Idee, im Anschluss an die Aktion verschiedene Entscheidungsträger in Russland aus Politik und Kirche zu kontaktieren. Man will sie fragen, ob sie die Bekehrpakete haben möchten. Martin hofft aber auch darauf, dass die BesucherInnen selbst Ideen entwickeln, was mit den Paketen passieren soll.

Leopardisointing, 05.-13.12., 12:00-18:00, Acud, acudmachtneu.de

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