„Reine Panikmache"
Die angesagte Partymeile in Friedrichshain sorgte für Schlagzeilen: Ein 26-Jähriger wurde niedergestochen, zwei weitere Passanten krankenhausreif geschlagen. Die Bar zum schmutzigen Hobby ist die einzige queere Location auf dem RAW-Gelände. SIEGESSÄULE sprach mit Geschäftsführer Mike über die derzeitige Lage und Stimmung
Mike, wie schätzt ihr vom Hobby die Situation hier ein? Man muss eine Grenze ziehen zwischen dem, was auf dem RAW-Gelände und was auf der Straße passiert. Zu den Vorfällen kam es außerhalb vom RAW-Gelände. Keine Frage, die Anzahl der Taschendiebe und Drogendealer hat zugenommen. Auf der Warschauer und Revaler Straße ist es durch die Menschenmengen sehr chaotisch geworden. Schon vor zwei Jahren haben wir und andere Mieter mit den Grünen zusammengesessen und gesagt, dass sie einen Plan für die Straßen entwickeln müssen. Das haben sie aber nicht!
Hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt? Nach diesen Vorfällen deutlich. Wenn sie jedoch wieder in den Modus wechselt: wir kommen erst, wenn wir gerufen werden, dann bringt das wenig. Es ist schwierig: viel Polizei vermittelt Sicherheit, turnt aber auch viele Leute ab. Wie gesagt, Politik und Polizei müssen sich überlegen, wie sie die umliegenden Straßen sichern wollen. Dafür sind wir Clubbetreiber nicht zuständig.
Hört ihr von Leuten, dass sie jetzt mehr Angst haben, hierher zu kommen? Bei unseren Gästen ist da keine Veränderung zu spüren. Die wissen das schon einzuordnen. Ich glaube, dass das Ganze ein bisschen auch ein Sommerloch-Thema war. Einige Medien wie B.Z. und Bild-Zeitung haben sich darauf gestürzt und auf eine Art und Weise journalistisch angepackt, die schwierig ist.
In einem B.Z.-Interview warnt eure ehemalige Mitstreiterin Nina Queer davor, aufs RAW-Gelände zu gehen. Sie selbst habe Angst, hier auf offener Straße erstochen zu werden. Ich frage mich, woher sie so eine These nimmt. Vorm Comet Club, wo sie ihre Partys betreibt, herrscht genau die gleiche Situation. Sie würde aber niemals sagen, wer zum Comet Club geht, riskiert sein Leben. Die Frau heizt da eine Stimmung an, das ist reine Panikmache.
Nach dem Rückzug von Nina aus der Bar zum schmutzigen Hobby und den Auseinandersetzungen, die damit einhergingen, glaubt ihr, dass es sich dabei möglicherweise um einen Racheakt von ihr handelt? Bestimmte Menschen in der Stadt nutzen einfach jeden erdenklichen Vorfall, um sich zu profilieren. Mich ärgert, wenn sich Leute und einige Medien unqualifiziert zu diesem Thema äußern, obwohl sie die Chance hätten, differenzierter zu berichten. Aber die Leute, die Spaß haben wollen, werden uns nicht verlassen, weil in irgendeiner Zeitung steht, dass es in der Gegend schlimm sein soll.
Wie ist die Lage vom Hobby als einziger queerer Laden in diesem Umfeld? Wir sind ja nicht hundertprozentig schwul oder queer. Unser Personal ist gemischt: Heteros und Homos, Männer und Frauen. Und so ist halt auch unsere Gästeschar aufgebaut. Wir dulden natürlich keine Angriffe auf Schwule, kein anti-queeres Verhalten usw. Und dadurch, dass viele Stammgäste und Barmitarbeiter schwul sind, werden automatisch viele queere Leute angezogen.
Habt ihr trotzdem das Gefühl, vom Hetero-Publikum und von Touristen überrannt zu werden? Unsere Tür steht jedem offen. Ich sag mal so: Wenn sich die Schwulen nicht ihren Platz erkämpfen oder ihren Platz selber warm halten, dann kommt halt jemand anderes und setzt sich drauf. Wir sind immer noch stadt- und landbekannt als Anlaufpunkt für Schwule und Lesben. Wir hängen keine Fahne raus, wir definieren das lieber über den Umgang mit den Leuten.
Was ist dein Eindruck, wo geht es mit dem Nightlife auf dem RAW-Gelände hin? Auf dem Gelände existiert ja ein gewisser Status Quo. Es gibt Mietverträge, die noch einige Jahre dauern, beim Astra, bei uns, beim Suicide Circus usw. Das heißt, in diesen einzelnen Locations wird sich so viel nicht verändern. Haubentaucher mit Spaßbad und Club ist eine andere, neue Qualität. Was auf dem Gelände seit Jahren läuft ist ein Erfolgsrezept, was auch künftig funktionieren wird.
Das heißt, das Hobby läuft gut… Wir sind sehr zufrieden, dass wir umgezogen sind. Wir können uns hier viel besser entfalten als in der Rykestraße. Wir haben keine Lärmprobleme, keinen Ärger mit Nachbarn und freuen uns über die vielen Leute, die hierher und immer wieder kommen.
Interview: Andreas Marschner