„Es ist unsere Pflicht, uns zu wehren.“
Am letzten Montag versammelten sich mehrere Hundert Anhänger der Berliner Variante von Pegida, Bärgida, vor dem Roten Rathaus, um gegen die angebliche Überfremdung in Deutschland zu protestieren. Rund 6.000 GegendemonstrantInnen konnten den Demozug, der zum Brandenburger Tor geplant war, blockieren. Auch die Initiative „Enough is Enough“ rief dazu auf sich an der Gegendemo zu beteiligen. Alfonso Pantisano, Mitbegründer der Gruppe, erklärt, warum es gerade jetzt wichtig ist, gegen Pegida auf die Straße zu gehen.
Dass sich „Enough is Enough" an der Gegendemo zu Bärgida beteiligt haben, hat euch auch Kritik eingebracht, weil der Eindruck entstand, ihr hättet eine eigene unabhängige Demo geplant. Wie kam es dazu? Als wir erfuhren, dass Bärgida eine Demo angekündigten, wussten wir, dass wir definitiv an der Gegendemo teilnehmen würden. Weil viele Anfragen von Leuten kamen, die ungern allein hingehen wollten, haben wir den Treffpunkt am Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen organisiert, um von dort zum Brandenburger Tor zu marschieren. Dadurch kam das Missverständnis auf, wir hätten eine eigene Demo angekündigt. Das haben wir nicht, wir haben uns lediglich den anderen Gegendemonstrationen angeschlossen. Ich finde es schade, dass oft im Vordergrund steht, wer sich abgekapselt haben könnte, anstatt sich zu freuen, dass so viele Menschen ihr warmes Zuhause verlassen, um auszudrücken: Ich möchte in einer offenen Gesellschaft leben.
Wie hast du die Demonstration erlebt? Die Stimmung war sehr positiv und friedvoll. Es war gut mitzubekommen, wie in den Redebeiträgen Homophobie gleichberechtigt neben Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie gestellt wurde. Ein starker Moment war, als der Senat im stillen Protest die Lichter vom Brandenburger Tor ausgeschaltet hat und damit zeigte: Wir bieten Bärgida keine Kulisse. Beeindruckend fand ich auch ein Foto, das um die Welt ging: Das dunkle Brandenburger Tor und zwei von unseren großen Regenbogenfahnen im Vordergrund, die genau die Vielfalt repräsentierten, für die wir auf die Straße gegangen sind.
Warum erachtest du es als wichtig, sich als queere Organisation gegen Islamfeindlichkeit einzusetzen? Wir werden oft dafür kritisiert, dass wir uns mit Muslimen solidarisieren, da in einigen muslimischen Ländern auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Trotzdem ist der Gedanke „Ihr habt uns das angetan“ wieder eine Abgrenzung von den „Anderen“. Wir müssen uns klarmachen, dass sich die Pegida-Bewegung gegen Menschen richtet, die „anders“ sind, seien die Gründe dafür nun Rassismus oder Homophobie. Wir müssen verstehen, dass wir im Grunde alle gleich sind und gemeinsam gegen diese menschenfeindliche Bewegung ein Zeichen setzen.
Wie wird „Enough is Enough“ in Zukunft vorgehen? Wir werden uns weiterhin, so wie es für uns als Organisation, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen wird, möglich ist, solidarisch zeigen. Für den kommenden Montag ist bereits eine neue Bärgida-Demo angekündigt. Wir werden auf jeden Fall wieder hingehen. Es ist unsere Pflicht, uns zu wehren: In Dresden hat sich die Teilnehmer-Anzahl der Pegida-Demos rasend schnell vergrößert.
Ist das als Appell zu vestehen? Ja: Sagt eure Termine ab und geht auf die Straße! Denn die Freiheit, die einer bestimmten Gruppe genommen wird, ist auch eure Freiheit. Gerade nach den jüngsten Ereignissen, dem Attentat auf die Charlie-Hebdo-Redaktion, ist es wichtig, sich weiterhin gegen Rassismus auszusprechen. Es ist zu erwarten, dass jetzt mehr Pegida-Anhänger mobilisiert werden, denn wer in dieser Gewalttat die Legitimation für Islamfeindlichkeit finden wird, können wir uns ja denken.
Interview: Paula Balov
Treffpunkt zur Beteiligung an der Gegendemo am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, 12.01., 16:15