Klein, aber laut
Mit einer selbstorganiserten Demo kämpft ein junger Schwuler aus dem Libanon für Gay Rights. Er selbst wurde nach seinem Coming-out von der Familie verstoßen
16.10. – Vor einer Regenbogenfahne stand gestern Nasser am Hermannplatz und eröffnete mit einer sehr persönlichen Rede seine Demonstration: „Gegen Homophobie und für mehr Toleranz und Akzeptanz von Homosexuellen“. Das Datum, den 15.10., hat er bewusst gewählt: Sein Coming-out liegt genau zwei Jahre zurück und hatte böse Folgen: Verbale und körperliche Gewalt durch Familienmitglieder und eine versuchte Entführung in den Libanon – das Heimatland der Eltern. Ihr Verhalten begründeten diese damit, Homosexualität gäbe es nicht unter Muslimen.
Der 17-Jährige hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Umso mutiger ist die Entscheidung, die Demo in seinem ehemaligen Wohnkiez anzusetzen. Mit der Aktion wollte Nasser nach zwei Jahren seine Angst überwinden, durch Neukölln zu laufen und dabei ein Zeichen setzen. In seiner Rede erklärte er, die Demo sei auch für die anderen queeren Jugendlichne im Kiez, die ähnliche Erfahrungen durchlebt haben oder sich nicht outen können. Seit sich der TCSD 2012 aufgelöst hat, verläuft keine CSD-
Route mehr durch Neukölln. Gerade hier erachtet es Nasser für dringend notwendig, gegen Homophobie zu kämpfen: In Neukölln war er sehr oft homophoben Anfeindungen von Passanten ausgesetzt.
Am Hermannplatz haben sich am 15.10. circa 100 Menschen versammelt, die Nasser den Rücken stärkten. Zwei Stunden lang liefen sie mit ihm die Hermannstraße hinunter und über die Karl-Marx-Straße zurück zum Hermannplatz. Bis zum Schluss und trotz Heiserkeit animierte Nasser die
DemonstrantInnen dazu Parolen wie „Mehr Akzeptanz für Lesben, Schwule, Trans*“ zu rufen: Die Demo mag klein gewesen sein, aber dafür engagiert und laut.
Über die politische Wirksamkeit lässt sich streiten: Es wurden weder konkrete Forderungen, noch Perspektiven formuliert. Im Vordergrund steht Nasser. Der Mut eines jungen Mannes, der sich nach traumatischen Erfahrungen an den Ort des Geschehens begibt, um für
Menschenrechte einzustehen. Und das verdient Respekt.
Paula Balov
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