IWWIT-Kampagne

Tuntig, spießig und derb!

24. Sept. 2014

– Schwule, Lesben und Trans* werden nicht nur von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert. Auch in der Szene selbst wird immer wieder mit harten Bandagen ausgegrenzt: Jung, schön und reich ist hui; tuntig, übergewichtig und arm pfui. Die Aufklärungskampagne Iwwit („Ich weiß was ich tu“) startet deshalb im Oktober eine Plakatkampagne gegen Diskriminierung in der Szene und internalisierte Homophobie. 

Gerade erst hat er sich das Shirt zerrissen, schon ruft der Berliner DJ Rummelsnuff, in grellen hellen Farben ausgeleuchtet und seine Muskeln präsentierend: „Sei derb!“ Barbie Breakout fordert auf einem ähnlichen Plakat „Sei tuntig!“, ein drittes Plakat ruft dazu auf „spießig“ zu sein. Die Plakate der Präventionskampagne Iwwit haben eine klare Botschaft: „Jeder wie er will. Für mehr Akzeptanz in der Szene!“ 


So mangelt es zum Beispiel auf Datingplattformen schließlich nicht an Aussagen, die das Gegenteil ausdrücken: „Keine Dicken, keine Tunten!“ Für Christoph Kolbe von Iwwit sind solche Äußerungen Anzeichen einer verinnerlichten Homophobie, die sich auch in der Ablehnung von Pride-Veranstaltungen zeige – nach dem Motto: „Ist ja kein Wunder, dass Schwule nicht akzeptiert werden, solange auf den CSDs nur Tunten zu sehen sind.“ Ganz ähnlich fordern manche in den Debatten um die beste Strategie für die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft, als allzu schrill empfundene Eigenschaften lieber abzulegen. Nicht der Kampf um Akzeptanz der Unterschiedlichkeit sei der richtige Weg, sondern Anpassung an herrschende Normen. Für Kolbe ist dies allerdings nicht überzeugend. Man müsse sich doch fragen, meint er, was eigentlich so schlimm daran sei, eine Tunte zu sein. „Letztlich sind das Forderungen aus der heteronormativen Gesellschaft: Ein Mann hat männlich zu wirken, eine Frau weiblich.“ 

Für jene, die den Erwartungen nicht gerecht werden, haben die meist unbedacht oder in der Anonymität des Netzes ausgesprochen Ablehnungen teilweise schlimme Folgen. Ständige Ausgrenzungserfahrungen können zu psychischen Erkrankungen führen. Und unter Schwulen ist der Alkoholmissbrauch weiter verbreitet als in der Gesellschaft insgesamt und die Suizidrate unter Jugendlichen gar viermal so hoch. „Manche Betroffene gehen zwar erhobenen Hauptes mit Diskriminierung um und denken: Nicht ich bin das Problem, sondern die anderen haben ein Problem“, sagt Stephan Jäkel von der Schwulenberatung in Berlin. „Aber andere denken: Vielleicht haben die ja doch Recht?“

Im Rahmen der Berliner Themenwoche Seelische Gesundheit (10.–19.10.) organisiert die Schwulenberatung deshalb den Fachtag „Schwul und psychisch krank – immer am Rande?!“, auf dem auch über Homophobie und schwules Leben jenseits der Klischees von Glamour und Party gesprochen wird. Schließlich werde in Community meist nach ähnlichem Muster diskriminiert wie in der Gesellschaft insgesamt, berichtet Jäkel: „Jung, schön, erfolgreich und reich ist der Idealzustand, bei sichtbaren und mittelbaren Beeinträchtigungen nimmt die Diskriminierung zu.“ 

Tückisch an vielen diskriminierenden Äußerungen ist indes, dass sie gar nicht bewusst als solche wahrgenommen werden. „Wir grenzen wahrscheinlich alle ein bisschen aus“, sagt Kolbe. Gerade deshalb sei Sensibilisierung nötig. Zum Glück fallen die ersten praktischen Schritte im Kampf gegen szeneinterne Ausgrenzung nicht schwer: Auf Datingplattformen kann man positiv schreiben, wen man sucht, statt beleidigend eine Negativliste zu erstellen. Und sollte sich doch nicht gleich mit der ersten Nachricht der gesuchte Traumprinz melden, kann man mit einem „Danke, aber nein Danke“ einen vergleichsweise höflichen Korb verteilen.

Tobias Sauer

Fachtag „Schwul und psychisch krank – immer am Rande?!“, 10.10., 10:00–14:00 Uhr, Wilde  Oscar, Teilnahme kostenfrei, Anmeldung unter 030-23 36 90 70 oder info@schwulenberatungberlin.de


Infos zu IWWIT:
iwwit.de

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