Strike a Pose
„Voguing ist wie eine Therapie, die dein Leben krass verändert,“ schwärmt Mic Oala vom Organisationsteam des Berliner Voguing Festivals. Sie ist seit 2012 dabei und das voller Begeisterung. „Das Festival stellt für uns aber auch einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag dar, ein Plädoyer für alle nicht-heteronormativen Lebens- und Ausdrucksformen, ein Enpowerment in alle Richtungen.“ Die neuere Voguing-Bewegung zieht dabei auch Berlin immer mehr in den Bann. Inzwischen ist die Teilnehmerzahl so stark angewachsen, dass sich die Wettkämpfe auf zwei lange Abende erstrecken. Die Kategorien der Battles im Theater im Aufbauhaus sind dabei so vielfältig wie die Szene selbst. Zusammengehalten wird alles unter dem großen Motto „Journey to the Far East“. Am Freitag, den 15.08., werden beim der „Runway Preselection“ als Kategorien „Dragons“, „Hindu Gods“ und „Street Fighter“ aufgerufen. Beim samstäglichen „Voguing Ball“ müssen sich die Teilnehmer denn an der „Peking Opera“, „Samurai versus Ninja“ und „Geisha versus Maiko“ abarbeiten.
Die Balls bestehen zu einem großen Teil aus ritualisierten Zeremonien, bei denen neben den Teilnehmern der Host, Kommentatoren, und natürlich das Publikum einen wichtigen Beitrag leisten. Archie Burnett und Cesar Valentino, zwei Legenden aus der New Yorker Ballroom-Szene, fungieren nicht nur als Judges, sondern haben auch die Trophäen gestaltet. Bei den „Battles“, den finalen Zweikämpfen, werden die besten Kostüme und die kreativsten und perfektesten Moves gekürt. Aber über allem steht natürlich „Attitude“: der selbstbewusste Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. „Die Teilnehmer haben großen Spaß daran, sich zu zeigen, sich zu messen und sich dabei immer wieder zu steigern“, erzählt Mic Oala der Siegessäule. „Die Trophies, die man für das eigene ‚House‘ gewinnt, dienen dabei als äußerer Anreiz.“
Neben der „Butchqueens up on Pumps“ darf man vor allem auf die relativ neue Kategorie „Vogue Fem“ gespannt sein. „Hier geht es darum, überzogen und lüstern seine natürlich gegebene oder auch nicht gegebene Weiblichkeit herauszustellen,“ erklärt Mic Oala. „Gerade Frauen tun dies lieber in einem geschützten Raum, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, etwa bei unserem Balls im Südblock.“ Auch sie selbst ist fasziniert davon, in verschiedenste Rollen zu schlüpfen. Ihre Spezialität als „Ranma Melody“ ist das Gender-Switching inmitten einer Performance. Mic ist Mitglied im Berliner „House of Melody“, wie alle Häuser weltweit eine Art „Wahlfamilie“. House-Mother Georgina hat bereits zwei schwule Jungs und neun Frauen unter ihre Fittiche genommen, außer Mic alle heterosexuell, aber extrem offen. Diese Mischung ist recht typisch für die neuere Ballroom-Szene: „War die New Yorker Szene der 80er und 90er noch von schwulen Männern und Trans* Leuten dominiert, sind in der jüngeren europäischen Szene sehr viele heterosexuelle Frauen aktiv – die allerdings alle natürlich eine sehr queere Einstellung haben.“
Bei den Partys, die sich direkt an die Wettbewerbe anschließen, können dann auch die Zuschauerinnen und Zuschauer übrigens ordentlich Dampf ablassen und so richtig aus aus sich herausgehen. „Man braucht schon ein paar Tage, um wieder runterzukommen“, beschreibt Mic die Erfahrung eines Battles. „Und das ganz ohne Drogen. Allein mit natürlichem Andrenalin.“
Carsten Bauhaus
Berlin Voguing Out Festival 2014, 10.–16.08., verschiedene Locations, berlinvoguingout.com