Berliner Polizei-Vizepräsidentin im Interview
Alles Machos? Mit der Siegessäule spricht Margarete Koppers über Diversity, Homophobie und ihr eigenes Coming-out
Fast wäre sie Berliner Polizeipräsidentin geworden. Margarete Koppers leitete anderthalb Jahre lang die Berliner Polizei kommissarisch und bewarb sich um den Posten der Chefin. Sie gilt als eine Frau mit Ambitionen, die die Behörde unaufgeregt koordinierte und dem Rambo-Image der Polizei entgegentrat. Ende 2012 holte Innensenator Henkel schließlich für die Position des Polizeipräsidenten mit Klaus Kandt einen Mann von außerhalb, Koppers blieb Vize. Sie ist diejenige, auf deren Tisch viele Beschwerden über Homo- oder Transphobie landen – auch auf vielen Community-Events ist sie sichtbar. Siegessäule wollte wissen, was Margarete Koppers antreibt und ob ihre lesbische Partnerschaft den Chefinnen-Posten verhindert hat.
Siegesäule: Sie setzen sich innerhalb der Berliner Polizei für Diversity, also Vielfalt, ein. Was heißt das konkret?
Margarete Koppers: Vielfalt heißt, alle Bevölkerungsgruppen, alle Minderheiten, die es in dieser Stadt gibt, auch in der Polizei, abzubilden. Aber auch, allen Minderheiten die Chance zu geben, am beruflichen Erfolg teilzuhaben.
Was ist denn Ziel der Diversity-Strategie?
Das Ziel dahinter ist, dass wir ein anderes Verhältnis innerhalb der Behörde miteinander pflegen und anders nach außen treten. Ziel ist, nicht mehr den repressiven Blick im Vordergrund zu haben, sondern uns als Teil der Gesellschaft zu verstehen und so wahrgenommen zu werden.
Ziel sollte es doch auch sein, vorurteilsbeladene Ermittlungen zu verhindern. Wenn ich mir die NSU-Morde ansehe, dann ist lange nicht in diese Richtung ermittelt worden.
Genau das ist der Lernprozess. Dass wir Menschen anderer Herkunft, anderer Religion, anderer sexueller Identität genau so akzeptieren, wie die Mehrheitsgesellschaft, und deshalb nicht stereotyp mit Themen umgehen.
Was sagen sie zu dem Vorwurf, die Berliner Polizei betreibe racial profiling, das heißt, kontrolliere Menschen verstärkt je nach ihrem Aussehen – natürlich geht es dabei oft um dunklere Hautfarbe –und behandle sie schlechter?
„Ich bin fest davon überzeugt, dass es keine Regeln gibt, die racial profiling befürworten“
Selbstverständlich ist dies kein strukturelles Problem. Ich bin fest davon überzeugt, dass es keine Regeln gibt, und sei es auch nur informeller Art, die racial profiling befürworten. In Bereichen, in denen bestimmte Bevölkerungsgruppen vermehrt auftreten, z.B. der Hasenheide oder dem Görlitzer Park, mag bei Kontrollen der Eindruck entstehen, dass stereotyp gearbeitet wird. Wichtig ist aber, dass die Kollegen sich nicht an der Hautfarbe oder Ethnie orientieren, sondern am Verhalten, ob es Hinweise dafür gibt, dass illegale Aktivitäten erfolgen. Wenn konkrete Vorwürfe erhoben werden – sicherlich gibt es Ausreißer – dann gehen wir denen intensiv nach. Die gehen alle über meinen Tisch.
Sind Rassismus, Sexismus und Homophobie in unserer Gesellschaft nicht immer auch ein strukturelles Problem? Warum sollte das innerhalb der Berliner Polizei anders sein?
Dann müssten Sie jetzt definieren, was Sie unter strukturell verstehen. Ich verstehe darunter, dass die Behörde Strukturen hat, die derartiges Verhalten ermöglichen oder begünstigen oder gar regeln. Und unsere Regeln sind genau die entgegengesetzten.
Gibt es denn in diesem Bereich Schulungen?
Wir haben in der Ausbildung dazu verschiedene Module. Das geht über Geschichtsunterricht bis zur Teilnahme an konkreten Veranstaltungen. Gerade haben wir vor dem Berggruenmuseum eine Gedenkstele enthüllt. Dort war früher eine Polizeischule, die zur NS-Zeit unrühmlich bekannt wurde. Zudem arbeiten wir mit NGOs wie Maneo oder der Landesantidiskriminierungsstelle zusammen, um uns den Themen wie Rassismus und Homophobie zu stellen. In der Fortbildung gibt es genauso verpflichtende Module, die Teilnahme hängt aber auch immer davon ab, dass die Kollegen freigestellt werden können.
Es gibt seit letztem Jahr in der Berliner Staatsanwaltschaft eine extra Ansprechpartnerin für hate crimes und Straftaten im Bereich Homophobie. Wenden sich Schwule und Lesben jetzt verstärkt an diese Stelle?
Das kann ich nur für die polizeilichen Ansprechpartner beantworten: Bei den Schwulen haben wir ganz gute Erfolge, bei den Lesben ist es schwieriger. Ich höre von der Kollegin, die dafür zuständig ist, dass es viel schwerer ist, das Vertrauen der Frauen zu gewinnen, weil dabei eine doppelte Hürde überwunden werden muss, nämlich sich als Frau und als Lesbe an die Polizei zu wenden, die traditionell als männerdominiert und machohaft wahrgenommen wird.
„Ich weiß, dass viele Kollegen und Kolleginnen offen mit ihrer sexuellen Identität umgehen“
Wie offen können schwule und lesbische Polizisten und Polizistinnen in Berlin an ihrem Arbeitsplatz sein?
Ich glaube, dass je nachdem in welchem konkreten Umfeld sie arbeiten, Vorurteile bestehen. Ich weiß, dass viele Kollegen und Kolleginnen offen mit ihrer sexuellen Identität umgehen, aber ich weiß eben auch, und das betrifft auch Führungsetagen, dass Kollegen und Kolleginnen eine strikte Trennung zwischen privat und Beruf vollziehen. Geheimniskrämerei führt dann sicher zu noch mehr Problemen als ein offener Umgang.
Warum ist es so, dass unter den Polizistinnen viele lesbisch sind? Was macht diesen Beruf für Lesben so attraktiv?
Ich glaube, weil er nicht so klischeebesetzt ist, weil er nicht so typisch weibliche Eigenschaften erfordert. Ich kann einfach so wie ich bin, das tun, was ich kann und wozu ich Lust habe. Frauen müssen nicht im Kostüm im Büro hocken, sondern können ihren Job in Uniform machen, sie müssen sich nicht dem Klischee, wie eine Frau sich allgemein verhält, beugen.
Sie leben selbst in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Hatten sie ein Coming-out innerhalb der Berliner Polizei oder wussten das alle schon, bevor sie dort anfingen?
Da ich verpartnert bin und der Personenstand in der Personalakte immer auf der ersten Seite steht, bin ich davon ausgegangen. Dem war aber nicht so. Ich wurde auf einem Flug von einem Kollegen aus dem Bundesinnenministerium angesprochen, der mich fragte, weißt du eigentlich, welche Gerüchte über dich in der Berliner Polizei existieren und dass darüber debattiert wird, wer denn wohl diese Frau ist, die immer ans Telefon geht, wenn man bei dir privat anruft. Ich habe dann mit dem Polizeipräsidenten darüber gesprochen und er hat mir geraten, damit ganz offen umzugehen und das zu thematisieren. Das habe ich getan, sowohl in der Morgenlage, als auch in der obersten Führungsebene der Polizei. Und seitdem ist es kein Thema mehr.
Was hat sie denn an der Polizeibehörde gereizt? Sie waren vorher Richterin, dann wissenschaftliche Assistentin am Bundesverfassungsgericht. Dann der Wechsel zu einem Männerverein mit Korpsgeist und straffen Hierarchien. Klingt nicht attraktiv.
Ich habe Polizei anders erlebt in meinem Beruf, weil ich als Strafrichterin mit Polizei immer sehr eng zusammengearbeitet und im Wesentlichen positive Erfahrungen gemacht hatte. Ich habe über die Struktur der Behörde nicht so viel nachgedacht, sondern nur gewusst, dass es eine sehr große Behörde ist mit anderen Herausforderungen, die deutlich näher an der Gesellschaft dran sind. Das hat mich gereizt und die Führungsposition. Es hat mich überrascht, dass das Thema Frauen in Führungspositionen immer noch so akut ist, der Nachklang in den Medien war extrem.
Sie hatten sich – letztlich erfolglos – um das Amt des Polizeipräsidenten in Berlin beworben. Dass sie eine Frau sind und in lesbischer Partnerschaft leben, hat die Sache wahrscheinlich nicht befördert, oder?
Das müssten sie diejenigen fragen, die die Auswahl getroffen haben. Ich habe dazu so meine ganz eigenen Ideen, aber die behalte ich jetzt lieber für mich.
Was wäre ihre Vision für die Berliner Polizei?
Mir ist daran gelegen, dass wir mitten in der Gesellschaft ankommen und uns nicht in eigenen Strukturen verkapseln, die Hierarchie nicht mehr so eine große Bedeutung hat. Mir schwebt eher das holländische Modell einer Bürgerpolizei vor.
Die Fragen stellte Gudrun Fertig
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