Interview mit Flo vom SchwuZ

Traumjob Türsteher

29. Feb. 2024 Kevin Clarke
Bild: privat
Türsteher Flo am Eingang des SchwuZ

Der 37-jährige Flo arbeitete die letzten Jahre als Türsteher im SchwuZ. Nun wechselt er an eine berühmte Tür im Osten der Stadt. Im Interview spricht er über die Zusammensetzung des Publikums, Sexpositivität und den Flirtfaktor an der Tür

Du arbeitest im SchwuZ-Security-Team als Türsteher. Was ist denn die nervigste Frage, die du nicht mehr hören kannst? (lacht) „Warum machst du diesen Job überhaupt?“ Oft wird vermutet, dass man das nur macht, um cool zu wirken. Dahinter steckt die Auffassung, dass diese „Götter in Schwarz“ an der Tür sich etwas darauf einbilden, die Kontrolle zu einer vielbegehrten Lokalität in ihren Händen zu haben.

Du bist also kein „Gott in Schwarz“, obwohl du schwarz angezogen bist? Meine Kleidungsfarbe liegt eher an meiner Farbenblindheit. (lacht) Deshalb trage ich am liebsten Schwarz, Weiß und Grau. Meine Glatze ist auf erblich bedingten Haarausfall zurückzuführen. Daher der Bouncer-Look.

Woher kommen solche Klischees? Das kommt von bekannten Clubs, wo die Türsteher über den Einlass entscheiden, wer heute Abend mitfeiern darf. Damit bestimmen sie die Zusammenstellung des Publikums.

Eine unglaubliche Machtposition … Definitiv. Die Interpretation dieser Machtposition ist ein großes Thema, wenn man diesen Job macht. Schlagzeilen gab’s im Zusammenhang mit dem bekanntesten Club der Welt, dem Berghain, und mit dessen Türsteher Sven Marquardt. Der sagte immer, er sehe sich nicht als „Bad Guy“, der Leute vom Eintritt ausschließt, sondern als „Komponist“ der Besucher*innen, die eine gemeinsame Nacht miteinander verbringen wollen.

Du bist seit deinem 18. Lebensjahr Türsteher bei verschiedenen Locations. Siehst du dich auch als „Komponist“? Nein, gar nicht. Ich verstehe mich primär als jemand, der für Sicherheit sorgt in einem Safer Space, so wie jetzt im SchwuZ.

Wie würdest du die „Komposition“ des Publikums hier beschreiben? Jung, queer, bunt, sehr sympathisch und fröhlich.

Ausgrenzung von Menschen – im Sinn von: „Du passt nicht zu meiner Komposition der Crowd“ – gibt’s nicht? Zumindest im SchwuZ so gut wie gar nicht. Wenn jemand aggressiv vor der Tür ist, fragt man sich natürlich: Was macht diese Person an diesem Ort des Feierns? Das wäre ein Grund zu sagen: „Heute leider nicht!“ Oder wenn Leute gar nicht wissen, was ein queerer Club ist … Neulich hatte ich zwei junge Gäste, die sagten: „Wir sind hetero, haben aber kein Problem mit Schwulen.“ Für mich ist dieser Satz ganz klar eine rote Linie.

Ist das nicht was Positives? Grundsätzlich ja. Aber ich will in einer Gesellschaft leben, wo gar nicht mehr betont werden muss, ob jemand, vereinfacht ausgedrückt, hetero oder homo bzw. bi ist, falls man an solche Konzepte glauben will. Die beiden dachten, es gäbe an diesem sexpositiven Ort bei der Party heterosexuellen Sex. Und den suchten sie.

Gibt es hier Heterosex? Natürlich gibt’s den. Schließlich gehört der zu einer sexpositiven queeren Szene. Und das ist schön so. Aber wenn jemand überrascht ist an der Tür, dass es auch nicht heterosexuellen Sex hier gibt, dann denke ich, er oder sie sollte vielleicht lieber in einen anderen Club gehen. Grundsätzlich sind hier aber alle Menschen – egal welche sexuelle Identität sie haben – willkommen. Wir haben unterschiedlichste Veranstaltungen, die ganz unterschiedliche Menschen anziehen. Da gibt’s zum Beispiel „Tasty“, wo überwiegend Publikum aus anderen Kulturkreisen feiert, bis die Hütte abbrennt.

Es gibt zwei Darkrooms … Da finden auch primär die sexuellen Handlungen statt. (lacht) Aber ich habe Sex auch schon an anderen Orten im Club gesehen. Das hängt stark von der jeweiligen Veranstaltung ab, die den Rahmen bietet. Bei „Buttcocks“ kommt primär ein homosexuelles Publikum, bei „Popkicker“ geht’s gemischter zu.

Wo sind die älteren Queers? Es gibt Clubs, wo die Altersstruktur heterogener ist als im SchwuZ. Hier ist der Großteil zwischen Volljährigkeit und Anfang 30. Ich habe viel schwule 40+-Freunde, die gehen auch viel aus, aber nicht unbedingt ins SchwuZ – die gehen in den Boiler oder ins Berghain oder auf die „Revolver“-Party oder den „Fickstutenmarkt“.

Und die Lesben? Wir haben hier FLINTA-Veranstaltungen, sowohl als Barabende als auch als Club-Events. Sonst gibt’s in der Stadt viele weitere Angebote, wie die „Fuck Your Gender“-Reihe.

Was siehst du als Veränderung nach Corona? Nach dem großen Vakuum ist das Feiern in den Clubs, in die ich selbst gehe, härter geworden. Ich sah mehr Leute, die „drüber“ sind. Mehr Notfalleinsätze. Als müsste man alles nachholen, was man in den Lockdownphasen verpasst hat. Hier im SchwuZ habe ich das nicht so krass wahrgenommen, dafür eine Verjüngung des Publikums. Früher war das Publikum im SchwuZ älter, in meiner Wahrnehmung und in meiner Erinnerung an alte Mehringdamm-Zeiten. Der Umzug ist zwischenzeitlich aber auch schon ein Jahrzehnt her.

Apropos „Götter in Schwarz“: Wie hoch ist der Flirtfaktor vonseiten der Besucher*innen mit den Türsteher*innen? (lacht) Es kommt vor. Ich bin privat sehr glücklich vergeben, aber natürlich hat dieser Job bei manchen Menschen eine gewisse „Wirkung“. Da kommt’s dann manchmal zu anzüglichen Bemerkungen beim Abtasten. Ich müsste lügen, wenn ich leugnen würde, dass Komplimente manchmal auch ein bisschen schmeichelhaft sind. Aber oft nervt es auch einfach.

Ist Türsteher*in ein Vollzeitjob? Für mich ist es ein Minijob. Ich habe eine Nebentätigkeit als maximalen Kontrast zu meinem Hauptberuf in der Forschung und im akademischen Mittelbau gesucht, wo ich am Schreibtisch sitze und nicht viel mit anderen Personen spreche. Als Student habe ich nebenbei im Gerüstbau gearbeitet, für den körperlichen Ausgleich. Aber Gerüstbau findet nicht im Winter statt. Also kam ich zur Türsteherei. Jemand hier im SchwuZ hat schon mal gewitzelt: „Vielleicht wirst du der erste promovierte Türsteher der Stadt!“

Was sagen denn die anderen Akademiker*innen dazu? Meine Studierenden finden es witzig. Auch wenn sie hier in der Schlange stehen und mich plötzlich an der Tür sehen. Das ist immer eine schöne Überraschung. Ich habe selbst auch schon einen meiner Professoren im Latexkostüm (mit offenem Reißverschluss am Hintern) im KitKat getroffen. Der war anfangs peinlich berührt, als ich ihn ansprach. Aber dann fanden wir’s beide super. Sind Begegnungen dieser Art nicht schließlich der Grund, warum wir Berlin nach wie vor trotz aller Widrigkeiten so lieben?

Folge uns auf Instagram

#Clubkultur#Türpolitik#Nachtleben#Türsteher*innen#Clubs

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.