Trans Frau verklagt McDonald's

Diskriminierung am Arbeitsplatz: Keine Einigung im McDonald's-Prozess

26. Juni 2024
Bild: SIEGESSÄULE
Kylie vor dem Arbeitsgericht Berlin am 25. Juni 2024

Nachdem einer transgeschlechtlichen McDonald's-Mitarbeiterin der Zugang zur Frauenumkleide verwehrt wurde, verklagte sie McDonald's vor dem Berliner Arbeitsgericht nach dem Antidiskriminierungsgesetz §1 auf Schmerzensgeld. SIEGESSÄULE führte vorab ein Exklusiv-Interview mit der Betroffenen. Am gestrigen 25. Juni fand der Gerichtsprozess statt. SIEGESSÄULE war dabei

Was McDonald's seit Monaten nicht schafft, war für das Berliner Arbeitsgericht kein Problem. Denn während Kylie bei McDonald's in den Dienstplänen immer noch mit ihrem Deadname geführt wird, galt die Ladung zum Gütetermin Kylie. Die 27-Jährige trans Frau hatte ihren Arbeitgeber McDonald's wegen Diskriminierung verklagt.

15 Minuten waren für den Gütetermin angesetzt, 48 Minuten dauerte er. Ohne Einigung. Das lag vor allem an Monika Zehetmair, der Anwältin, die laut der Plattform Xing seit mehr als 22 Jahren McDonald's in Arbeitsgerichtsprozessen vertritt. Sie wollte auf die Gütevorschläge von Richterin Kerstin Mihe nicht eingehen. Obwohl es bei der Verhandlung offensichtlich wurde, dass bei McDonald's ein Diskriminierungsfall vorlag, wollte das Zehetmair nicht öffentlich zugeben. Und dass, obwohl Richterin Mihe zweimal durchblicken ließ, dass sie eine Diskriminierung seitens von McDonald's sah: Zum einen als sie einem McDonald's-Manager attestierte, „keinen Respekt vor der geschlechtlichen Identität“ der Klägerin, also Kylie, zu haben. Auch eine weitere Äußerung gegen Kylie hielt sie für bedenklich und „problematisch hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte und der Achtung der geschlechtlichen Identität“.

Kylie will weiterhin bei McDonald's arbeiten

„Natürlich ist es eine geschlechtliche Diskriminierung“, urteilte sie über ein Schreiben von McDonald's an Kylie. Ob dies dazu führen wird, dass McDonald's wegen des AGG verurteilt wird ließ sie offen. Vielmehr versuchte sie eine gütliche Einigung zu erreichen, vor allem, nachdem Kylie mitteilte, dass sie weiterhin bei McDonald's arbeiten wolle. Die McDonald's-Anwältin signalisierte Einverständnis: „Sie muss nicht gehen. Wir sind bereits das Problem zu lösen, sodass sich die Klägerin wohlfühlt.“ Wie das allerdings geschehen soll, ließ sie offen.

„Natürlich ist es eine geschlechtliche Diskriminierung.“

Wie wenig sie anscheinend die Thematik verstanden hat, machten zwei Äußerungen deutlich: Zum einen meinte sie, McDonald's habe nichts dagegen, dass Kylie „Transshows macht, dass hat uns nicht gestört“ – gemeint waren Dragshows. Zum anderen behauptete sie, McDonald's hätte eigentlich gar nicht gewusst, das Kylie eine Frau ist. Im Interview mit SIEGESSÄULE erklärte Kylie jedoch, dass sie seit ungefähr fünf Monaten die Frauenumkleide benutzte: „Seit ich ihnen gesagt habe: Ich bin eine Frau.“

Für Kylies Anwältin Leonie Thum ist die Sache eindeutig: „Nach europäischem Recht ist eine trans Frau eine Frau und muss auch so behandelt werden“. Und noch mehr: Ihrer Meinung nach hat McDonald's seine Fürsorgepflicht verletzt. „Hier soll nicht die Klägerin geschützt werden, sondern die anderen Mitarbeiter“ und das wäre nicht im Sinne des AGG. Im Gegenteil, „Vorgesetzte sollten entsprechend geschult werden, um sich nicht diskriminierend zu verhalten“. McDonald's sieht das anders. Die Anwältin: „Man muss Verständnis haben, dass sich andere Mitarbeiterinnen gestört fühlen.“ Dann schob sie angebliche religiöse Gefühle vor, schließlich „hätte sich die muslimische Mitarbeiterin gestört gefühlt durch das Umziehen“. Sie erwähnte jedoch nicht, dass auch Kylie einen muslimischen Hintergrund hat.

Kylies Anwältin monierte noch, dass McDonald's eben keine „Schutzmechanismen implementiert“ habe, wozu der Arbeitgeber nach AGG verpflichtet sei.

„Nach europäischem Recht ist eine trans Frau eine Frau und muss auch so behandelt werden“

Warum die McDonald's-Anwältin so vehement gegen eine Entschädigung nach AGG ist, machte sie mit einem Satz deutlich: „Das ist gegen unsere Werte“. In unterschiedlichen Kampagnen zum Pride-Monat hatte sich McDonald's immer wieder als queer- und transfreundlich porträtiert. Zuzugeben, dass eine Diskriminierung stattgefunden hat, weil einige Mitarbeiter*innen diese Unternehmenskultur noch nicht verinnerlicht haben, sollte eigentlich kein Problem sein. Doch scheinbar hält sich McDonald's für unfehlbar.

Am Ende versuchte sich Richterin Mihe in Formulierungsvorschlägen, wie beide Seiten mit einer Vereinbarung leben könnten, ohne eine offizielle Entschädigung nach dem AGG. Zehetmeier machte klar, warum sie so stur ist: „Wenn wir das Eingeständnis machen, dann sagen wir, dass wir diskriminieren“. Darauf Kylies Anwältin: „Aber wenn Sie verlieren, dann müssen sie auch zahlen.“ Und dann wäre die Diskriminierung sogar amtlich.

Nach 48 Minuten war der Prozess ohne Ergebnis beendet. Da keine Einigung zustande kam, wird das Gericht einen Kammertermin bestimmen, der einer Entscheidung oder Einigung des Rechtsstreits dient. Der Termin steht noch nicht fest.

Keine Entschuldigung von McDonald's

Beiden Parteien wurde als Hausaufgabe mitgegeben zu erarbeiten, wie eine Rückkehr für Kylie an ihren Arbeitsplatz aussehen könnte. Und wie sie sich umziehen kann ohne diskrimiert zu werden. Mit dem von McDonald's vorgeschlagenen Kompromiss, einen separaten Umkleideraum einzurichten, ist Kylie nicht einverstanden. Denn das würde suggerieren, dass Kylie keine Frau ist und anders behandelt werden muss als ihre cis-geschlechtlichen Kolleginnen.

Im SIEGESSÄULE-Interview sagte Kylie, dass sie sich von McDonald's vor allem eine Entschuldigung wünscht: „Eine Entschädigung ist natürlich gut und auch wichtig, aber Entschuldigung zu sagen ist wichtiger.“ Auf die Frage, ob sich McDonald's bei Kylie entschuldigen wird, antwortete Monika Zehetmair: „Ich habe nichts zu sagen, fragen Sie die Pressestelle“. Auf Nachfragen von SIEGESSÄULE schrieb die Pressestelle, dass McDonald's keine weiteren Statements zum Thema geben würde.

Kylie, die schon bald nach ihrer Genesung an ihren Arbeitsplatz zurückkehren will, meinte: „Nach der emotionalen Achterbahnfahrt der letzten sieben Monate gehe ich zurück, um meinen Platz als Frau zu beanspruchen!“ Und sie hofft, „dass McDonald's Kylie auf den Dienstplan schreibt, statt meinen Deadname. Das Gericht konnte es auch.“

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